Sydney 28 - Geheimsprachen und wieso ich einen Drucker kaufte
Es ist Ende
Mai und ich habe meine Drohungen endlich wahr gemacht, indem ich nun die
Flugtickets für drei Wochen Schweiz Aufenthalt gebucht habe. Seit dem letzten
Blogeintrag habe ich zwar keinen Job gefunden, aber dafür war ich am Grossen
Mittelalterfest in Mittagong, habe artig meine Hüftübungen, Rugby
League-Trainings und Meditationen gemacht, meine hunderttausend Dokumente fürs
Visum nachgereicht, meinen Masterabschluss gefeiert und einen osmanischen
Caftan im Stil des 15. Jahrhunderts genäht.
Der letzte
Blogeintrag ist vom 31. Januar. Da war es noch warm und zu gleich rückte die
Winterolympiade in Südkorea näher. David, Camilla und ich haben uns gegenseitig
damit angestachelt, das unsere Heimatländer jeweils mehr Medaillen gewinnen
werden. Natürlich hat Norwegen mehr Rangplätze erstritten als die Schweiz und
die Schweiz übertraf Australien in den meisten Disziplinen. Wir waren ausserdem
sehr zufrieden mit dem Austragungsort, da die Fernsehübertragung deshalb nur
drei Stunden Zeitverschiebung hatte. Auch wenn das russische, gemischte Curling
Team, wegen Dopinggebrauch ihre Bronzemedaillen zurückgeben mussten, waren sie
doch das Team, dem wir am liebsten zugesehen haben. Die Frau hat international
viele Kommentare über ihre Schönheit bekommen. Uns ist allerdings ihre hohe
Stimme am meisten aufgefallen. Vor allem, wenn sie ihren Mann an kreischte er
solle: „SWEEEEEEEEEP!!“-en. Sie klang ein wenig wie ein
Quietschspielzeugknochen, der von einem enthusiastischen Labrador zerkaut wird.
Hat nicht jeder so einen netten Tenor wie ich. Ich wurde schon öfters am
Telefon mit: „Griezi Herr (Nachname)“, angesprochen. Vor allem als ich noch
Raucherin war.
Ende
Februar sind zwei Dinge passiert, die von grosser Bedeutung sind. Erstens haben
wir das Auto zum Verkauf freigegeben und zweitens ass ich mein erstes
Käsefondue innerhalb von zwei Jahren. Ich stiftete meine liebe Mutter dazu an,
mir eine Käsefonduemischung per Post zu schicken. Sobald diese dann bei mir in
Sydney ankam, ging ich auf die äusserst nützliche Seite, namens Gumtree. Dort
kann man alles Mögliche kaufen und verkaufen. So tippte ich „Käsefondue set“
und hatte prompt einen Treffer in der Gegend für AUD 50.- (ca. CHF 35.-). Die
Verkäuferin kam ursprünglich aus Mannheim, lebte inzwischen in Sydneys Nordteil
und hatte nie Verwendung dafür. Das Set hatte eine Pfanne, Gaklon, drei oder
vier Brenngels und etwa ein Duzend Gäbelchen. Ein alter Studienfreund aus der
Schweiz lebt nicht allzu weit weg, weshalb ich ihn natürlich dann zum Fondue
Essen einlud. Es war der Schweizer David, den ich früher mal erwähnt habe. Er
kam, ass Fondue mit dem australischen David und mir. Leider hat der aussie
David sich nur teilweise mit dem Käsfondue und Kirsch anfreunden könne. Es ist halt
immer noch „an acquired taste“. Es wäre praktisch, wenn das jemand direkt
übersetzen könnte. Es bedeutet, dass man für etwas mit der Zeit einen Geschmack
oder eine Vorliebe entwickelt und es nicht von Anfang an schon mag. Am nächsten
Tag gingen wir auf eine Wanderung zum Mackerel Beach im Kuring Gai Chase
National Park.
Am
Wochenende darauf schauten wir uns das Spiel der Frauen Teams der Giants and
Carlton im Drummoyne Oval an. Das liegt direkt am Wasser und ist ein bisschen
wie Henson Park. Die Leute sitzen zum Grossteil auf den Hügeln, die das
Spielfeld umranden. Die Giants haben ziemlich hoch verloren. Zudem kam ein
mächtiges Gewitter nach dem ersten Viertel und durchnässte alle Anwesenden bis
auf die Knochen. Wir kamen vorbereitet, mit Regenjacke, Badtüchern und
Ersatzkleidung. Davids Bruder Lee und dessen Tochter waren ebenfalls da. Sie
ist neun oder zehn Jahre alt und war recht beeindruckt von den Damen auf dem
Feld. Sie sagte, sie wolle auch anfangen AFL zu spielen. Nach einem Spiel
dürfen die Zuschauer aufs Feld und mit ihren mitgebrachten AFL Bällen spielen.
Wir waren natürlich auch dafür ausgerüstet. So spielten wir mit seiner Nichte
ein wenig, bis man uns alle vom Feld vertrieb.
Am Sonntag darauf
sind David und ich wieder zum Kuring Gai Chase National Park gefahren. Dieses
Mal wollte ich ganz cool sein und einen Wanderweg nehmen, der nicht auf der
Seite des Nationalparks ist sondern nur auf Google. Der Towler’s Bay Trail war
eine schöne und vor allem lange Strecke, die leider nicht zu einem Strand
führte sondern nur zu einer Bay mit vielen Booten, und Steinen. Wir blieben tapfer
und wanderten in der Hitze brav wieder zurück. Alles bergauf versteht sich.
Oder vielleicht auch nicht. In der Schweiz startet man eine Wanderung meistens
im Tal und versucht auf einen Hügel oder Berg mit schöner Aussicht zu finden.
In Sydney an der Küste, wandert man vom Hügel zum Meer (also bergab) und wieder
zurück (bergauf *keuch*).
Am
Wochenende darauf, 23. Februar, waren wir wieder an einem Spiel. Dieses Mal war
es ein Freundschaftsspiel, vor dem Saisonbeginn der Männerteams der Giants und
Swans im allseits beliebten Henson Park, Marrickville. Ich weiss nicht mehr,
wer gewann. Ist auch irrelevant, da es
ja ohnehin nicht zählt. Wir haben, wegen meinem nicht vorhandenen Einkommen,
ein recht kleines Budget, weshalb wir ausschliesslich zu Hause essen oder Lunch
Pakete vorbereiten. Für dieses Spiel habe ich vegetarische Bourritos gemacht.
Statt Fleisch habe ich Rührei mit Tasty Cheese (eine Art Gauder oder Cheddar)
benutzt. Dazu noch eine Salsa, Guacamole, Sourcreme und Frühlingszwiebeln als
Garnierung. Ein sehr leckeres
Stadiongericht.
Da ich
jetzt schon einige Monate jede Woche einen Menüplan für den Wocheneinkauf
erstelle und viel mit neue Gerichte gekocht habe, dachte ich mir, dass Ihr eine
Top 10 meiner Rezepte haben sollt. Viel Spass beim Probieren. Ist leider alles
auf Englisch. Ein Cup ist etwa 250 ml/g. Die messen hier vieles in Cups. Tbsp.
ist Esslöffel und Tsp. ist Tee-/Kaffeelöffel.
- Saganaki Crevetten (ich habe den Fetakäse weggelassen und Gnocchi hinzugefügt) Rezept
- Würzige Karotten, Mais- Fritters Rezept
- Weisskohl, Brunnkresse, Pinienkerne- Dumplings Rezept
- Tom Kha Gai (habe Crevetten statt Poulet verwendet) Rezept
- Tomaten Perlen Couscous mit Oliven und grüne Bohnen Rezept
- Veggie Bourritos Rezept
- Gebackene Crêpes gefüllt mit einer Spinat, Champinion, Bechamél Mischung Rezept
- Crèmige Polenta mit Champinion, Tomaten und Chinakohl Rezept
- Tortellini Suppe Rezept
- Veggie Stoganoff Rezept
Auch wenn
ich nun nicht mehr an der Uni bin, war ich trotzdem an der O-Week. Die war so
um den ersten März herum. Das sind eigentlich nur drei Tage, an welchem sich
alle Societies und Sportteams präsentieren, um neue Mitglieder anzuwerben. Da
ich arbeitslos bin half ich an den drei Tagen aus. Ich habe herausgefunden,
dass die meisten Frauen gar nie in Erwägung zogen, jemals Rugby League zu
spielen. Ich musste regelrecht auf die Frauen einzeln zugehen, ihnen den Ball
hinstrecken und fragen, ob sie schon mal daran dachten, Rugby League zu
spielen. Ich habe 24 Namen und E-Mailadressen gekriegt. Nun ratet mal, wie
viele von denen jetzt im Team sind… Keine. Ich lernte ein paar nette Leute in
den Ständen neben unserem kennen. Ansonsten war die Mühe allerdings vergebens.
Wir haben Schwierigkeiten ein Team aufzubauen. Angeblich kämpfen andere Unis
mit demselben Problem. Das ist recht schade. Wir versuchen es weiter. Ich
arbeite an einem Kommunikationskonzept für das Team. Mal sehen, welche
Ressourcen der Club uns zugesteht. Trotz allem stehe ich fast jeden
Samstagmorgen auf der Matte und Jogge, übe Kicks und Pässe mit meinem Team. Am
Mittwochabend ist reguläres Training. Wir haben einen Fitnessteil, welchen wir mit dem Männerteam
absolvieren. Danach teilen wir uns auf und arbeiten getrennt an Techniken. Die
Männer haben dann meistens Tackle Training. Ich bin hell begeistert, weil ich
endlich besser im Sprinten werde. Ich war immer sehr langsam und wurde nicht
schneller. Irgendwann habe ich dann einfach mal die Knie höher angezogen und
voilà, ich war auf einmal etwa um ein Viertel schneller. Klingt jetzt banal,
aber mich hat’s riesig gefreut.
Camilla
feierte am 13. März ihren Geburtstag mit einem BBQ bei sich zu Hause. Ich
wollte ihr eine Piñata schenken. Ich machte mich auf den Weg zu Reverse Garbage
(ein Brockie für Bastelbedarf) in Marrickville. Die hatten eine Piñata für fünf
Dollar. Danach ging ich zu Woolworths und kaufte Süssigkeiten und Kondome.
Diese packte ich dann alle in die Piñata. Ich wusste, dass keine Kinder, Eltern
oder sonstige Verwandten an ihrem BBQ sein würden. Deshalb dachte ich, dass man
mir das noch durchgehen lassen kann. Ich
kaufte auch die Zutaten für den Cocktail „White Russian“. Camilla wollte, dass
die Gäste Cocktail Material mitbringen. An ihrem Ehrentag schrieb ich ihr noch einen
Limmerick. Ich wollte ihr noch etwas Persönlicheres schenken.
Hier kommt
der Limmerick:
There once was a girl
from Norway,
She came to Australia
to stay.
Her name is Camilla,
Which rhymes with
Godzilla
And we celebrate her
Birthday today.
David und
ich packten die Piñata, einen Cricketschläger und den Schnaps ein und fuhren zu
ihrem Haus. Dort angekommen, nahmen wir dann alle Cocktails, Wein, Bier und ein
wenig Essen zu uns. Die Piñata war super. Wir haben sie im Garten aufgehängt
und Camilla den Cricketschläger gegeben. Sie ist allerdings eine erwachsene
Frau. Weshalb die Piñata nach zwei Schlägen platzte. Die Leute haben sich trotzdem gefreut. Sie
mochte ihren Limmerick sehr. David ging früh Heim. Ich blieb noch eine Weile.
Gegen 11 Uhr wollte das Geburtstagskind in einen Pub in Piermont. Wir
bestellten drei Uber und fuhren hin. Da es am nächsten Tag 38°C werden sollte,
fragte ich an der Party ein paar Leute, ob sie mit David und mir nach Bundeena
an den Jibbon Beach kommen möchten. Einzige Bedingung war, dass man sich bei
mir bis halb zehn Uhr morgens melden musste. Ich ging um ein Uhr dann auch nach
Hause. Am nächsten Morgen schrieb mir Kim und sagte, dass sie, Sina und Siggi
mitkommen wollen. Camilla hatte am Abend zuvor schon abgelehnt.
Wir holten die
Mädels ab. Sina fragte, ob wir bei Camilla vorbeifahren könnten. Sie hätte ihre
Reisetaschen dort gelassen. Ich rief Camilla an. Sie klang… schmerzerfüllt. Sie
ist anscheinend nicht vor dem Morgengrauen nach Hause gekommen und hat sich mit
einen irischen Rugbyfan über eine Schale Chickenwings angefreundet. Ich gebe
Anthony die Schuld. Wenn er angeheitert ist, stiftet er immer alle dazu an
Shots zu trinken. Er hat mir auch etwa vier Mal einen Shot angeboten. Ich blieb
stark und habe alle vier freundlich abgelehnt.
Sie sagte,
dass sie sich freue, dass ich doch nochmals anrufe. Sie hätte ihre Meinung
geändert und wolle doch mitkommen. Sie könnte einen schönen Strandtag jetzt gut
gebrauchen. Wir haben dann eine nicht
verkaterte Fahrerin (Kim) organisiert, die im zweiten Auto mit Camilla
mitfahren konnte. Sie bat auch ganz bescheiden, um Hilfe beim Aufräumen.
Ehrensache. Wir kamen an, räumten auf, putzen, packten sie ein und fuhren nach
Bundeena. Es war so heiss, dass jedes Mal wenn ein Windstoss kam, es sich wie
der Atem eines Drachens anfühlte. Es war sehr windig. Das Meer war wunderbar.
Es war etwas aufgewühlt mit viel Seetang, aber da es eine Bay war, waren die
Wellen praktisch nicht vorhanden. Ich ging mehrere Male ins Meer und liess mich
treiben. Wir hatten auch ein Uno-Spiel dabei und spielten ein paar Runden. So
gegen drei oder vier Uhr nachmittags fuhren David und ich wieder zurück.
In der
Woche darauf habe ich dann Katya vom Mittelalterklub zu mir nach Hause
eingeladen, damit wir an ihrem Kleid arbeiten können. Sie wollte schon lange
meine deutsche Gewandung aus dem 16. Jahrhundert nachschneidern. Ich habe ihr
natürlich gerne dabei geholfen. Sie wohnt nicht weit weg, hat allerdings keine
Nähmaschine und kein Schnittmuster. Wir fingen ursprünglich letztes Jahr an die
Stoffe zu kaufen und zu zuschneiden. Da das grosse Mittelalterfest bald
stattfand, machten wir uns endlich ans Werk, alles zusammen zu nähen. Sie kam
an zwei Tagen vorbei und hat artig jeweils acht Stunden genäht.
Etwa Mitte
März fand der Newcomer Event des Mittelalterklubs in Erskineville statt. Dabei
veranstalten die Mitglieder Workshops für den Arts & Science Bereich und
die Kämpfer organisieren Trainingsstunden. Abends gibt es dann ein Festessen.
Für die Veranstaltung habe ich meine römische Pletos Tunika ausgebessert. Der
Schweizer David fragte mich in einer SMS, ob ich Lust hätte, mich am selben
Abend mit ihm und einem seiner
Arbeitskollegen auf ein Bier zu treffen. Ich sagte zu, erwähnte aber, dass ich
wahrscheinlich nicht vor zehn Uhr abends aufkreuzen werde. Ich packte ein paar
normale Klamotten ein, zog meine Pletos Tunika an und machte mich auf dem Weg.
Unterwegs dorthin fing es an zu schütten. Glücklicherweise konnte ich mir einen
Schirm kaufen, allerdings stapfte ich mit meinen Sandalen in eine grosse,
schwarze Pfütze. Mmmmhhh Strassendreck. Als ich dann in der Erskineville
Townhall ankam, konnte ich endlich mein Bein waschen. Der Saal war mit
Mittelalterlichen Bannern und Wandteppichen dekoriert. Alle waren kostümiert. Es
hatte etwa zehn Tische im Saal und genügend Stühle für alle. Es gab vier Gänge,
alles nach historischen Rezepten. Vor dem Dessert wurde dann Hof gehalten. Der
Baron und die Baroness von Rowany (Region Sydney) sassen auf ihren Thronen, der
Hofstaat stand hinter ihnen. Die Heroldin verlas die Würdigungen und Ehrungen,
die an verdiente Mitglieder gingen. Man kann, Mitglied von verschiedenen Orden
werden und verschiedene Ehrenbezeichnungen verliehen bekommen. Der Ritterstand
wäre eine davon. Jedes Mal, wenn jemand etwas verliehen bekam oder in einen
Orden aufgenommen wurde, riefen alle im Saal: „Hussa!“. Ist so eine Sache in
der SCA.
Nach dem
Abendessen bildeten ein paar von uns den Bardenzirkel (Bardic Circle). Das ist
nichts anderes als eine Gruppe von Leuten, die ein paar Lieder singt. Ich sang
Wild Rover, andere sangen Sea Shanties, wie „Botany Bay“ (australisches
Seefahrerlied). Wisst ihr was? Wenn ich das Lied schon erwähne sollte ich Euch
wenigstens einen Link zu einem Youtube Video bereitstellen.
Ich
wechselte wieder in meine normale Strassenkleidung und ging gegen neun Uhr
Richtung Innenstadt. Schweizer Dave und sein Arbeitskollege, nennen wir ihn mal
Riff Boy, waren in einer Backpacker Bar oder Club. Ich habe ihn Riff Boy
getauft, weil ich seinen Namen vergessen habe und er aus der Gegend Penrith
kommt, allgemein bekannt als „The Riff“, wegen der letzten Silbe von Penrith.
Der Club spielte den üblichen Chartkram. Gar nicht mein Ding. David und ich quatschten
ein wenig, während dessen Riff Boy sternhagelvoll auf der Tanzfläche versuchte
eine Frau fürs Leben zu finden. Ich will Euch nicht länger auf die Folter
spannen. Er hat… keine Frau gefunden. David erzählte mir, dass Riff Boy eine
ernsthafte Beziehung eingehen und sesshaft werden will. Irgendwann kam er dann
zum Tisch zurück und sagte, dass David und ich aufhören sollen uns in unserer
Geheimsprache zu unterhalten. Er meinte Schweizerdeutsch… Ich sagte ihm, dass
er nicht so einen Aufstand machen solle. Unsereins hat selten die Gelegenheit
die Muttersprache zu sprechen. Er schien das zu verstehen. Wir wollten noch in
einen Pub, aber die Türsteher liessen den betrunkenen Riff Boy nicht herein. So
gingen wir zum Bahnhof und ich verabschiedete mich.
Zwei Wochen
darauf war dann Katya und Cailyns Einweihungsparty. Sie wohnen etwa drei
Bahnstationen von mir entfernt in Summer Hill. Da es eine „Communist Party“
war, sollten wir ein Geschenk passend zum Motto mitbringen. Ich brachte eine
Sichel und einen Hammer, welche ich in einem Brocki gefunden habe.
Es war gar
nicht so einfach ein passendes Geschenk zu finden. Liegt vielleicht daran, dass
der Kommunismus nicht ganz so kommerzialisiert ist wie andere Bewegungen. Ich
kann jetzt schon meine sozialistischen und kommunistischen Freunde prusten
hören… Ja ja. Ich weiss. Es gibt genug T-Shirts mit Marx und Engels drauf. Nur
leider habe ich in ganz Sydney keines gefunden. Die Blasphemie ging noch
weiter. An der Party haben wir etwa fünf Pizzen von Dominos bestellt.
Irgendwann hat die Mehrheit der Gäste angefangen die Lieder des Musicals
„Hamilton“ zu singen und rappen. Ich habe das Musical immer noch nicht im
Ganzen gehört. Bei englischen Songs schaltet mein Gehirn immer noch auf
Durchzug und ich muss mich konzentrieren, um den Text zu verstehen. Gegen
Mitternacht war die Einweihung dann vorbei, und ich ging nach Hause.
Zwei Tage
später feierten wir dann Ostern bei den Urquharts. Ich gab mir wie immer die
grösste Mühe mich an alle Namen zu erinnern. Hat soweit recht gut funktioniert.
Nach dem Essen haben die Kinder Schoggi Eier gesucht, bei etwa 30° C. David
brachte etwas Knetmasse und Holzspiesse mit. Wir sassen um den Couchtisch und
formten kleine Monster, die aus dem Ei schlüpften. Ich habe versucht einen
gehörnten Dämon zu machen. Beim Transport nach Hause sind ihm dann aber leider
die Hörner abgefallen. Während unserer Bastelstunde ereignete sich ein
Autounfall vor dem Haus. Ein Fahrradfahrer wurde von einem Auto angefahren. Er
brach sich dabei ein oder beide Beine. Die Polizei und einige Schaulustige waren
zugegen. Der Fahrradfahrer war bei vollem Bewusstsein und wurde gut versorgt. Später
gingen wir alle in den nahegelegenen Park und kickten den Footy (AFL Ball)
einander zu. Wir waren alles Frauen ausser David. Seine Familie besteht aus
vielen Nichten, Schwestern und Schwägerinnen. Mit meinen drei Halbschwestern
und einer Schwester wird das Geschlechterraten des potentiellen Nachwuchses ja
ziemlich vorhersehbar. Ich bin nicht schwanger, falls ihr Euch gewundert
habt. Falls Ihr Euch NICHT gewundert
habt, entschuldige ich mich für meine dreiste Annahme. Als wir wieder zum Haus
spazierten, ging die Sonne schon unter. Am Rande des Parks fütterte ein Mann
die Kakadus. In freier Wildbahn werden die sehr gross. Etwa so 40 cm. Sie haben
einen Heidenkrach gemacht mit ihrem Gekreische, sahen aber sehr knuffig aus mit
ihren gelben Irokesen. Kurze Zeit später
gingen wir wieder nach Hause.
In der
Woche darauf hatte ich dann zwei Bewerbungsgespräche aus denen nichts wurde.
Man hat mir allerdings versichert, dass ich nicht unterqualifiziert gewesen
wäre oder einen schlechten Eindruck hinterlassen hätte. Das ist doch mal
beruhigend. Ich weiss ja, dass ich bei Zeiten recht polarisierend sein kann.
Ich habe
mich danach noch lang weiter für Stellen beworben. Allerdings nehme ich
momentan eine Auszeit von der Jobsuche, da ich für drei Wochen in die Schweiz
komme. Das wäre nicht wirklich vereinbar mit einem neuen Job, selbst wenn ich
morgen anfangen würde. Ich habe mit einigen Leuten darüber gesprochen. Viele
meinten, dass ich vielleicht die Reise in die Schweiz verschieben sollte, bis
ich eine Stelle finde und mich eingearbeitet habe. Ich war und bin sehr
dagegen. Natürlich ist mir bewusst, dass dieser Vorschlag gut gemeint ist. Was
diese Variante allerdings auslässt ist, dass ich ja nicht in meiner Heimat
sitze und zum Wohle einer neuen Stelle mich gegen einen dekadenten Urlaub
entscheide. Die Realität ist, dass ich nach zwei Jahren im Ausland und einigen
sehr heftigen Kulturschocks endlich wieder meine Familie und Freunde, die mich
mein Leben lang begleiteten, sehen und in die Arme schliessen will.
Huch, das
war jetzt etwas emotional. Ich wollte es erwähnen, da dieser Blog auch für
Leute sein soll, die mehr über’s Auswandern oder lange Auslandsaufenthalte
lernen möchten. Kulturschocks sind eine unschöne Realität. Eine Kiwi Freundin
(Neuseeländerin) sagte mir mal, dass die Kulturschocks einfacher zu bewältigen
sind, wenn man nach dem ersten Auswandern nochmals auswandert. Ich fand ja
Island schon immer spannend. Scherz bei Seite. Ich bleibe vorerst in
Australien. Ich habe noch viel zu erleben und entdecken hier.
Zurück zu
den Ereignissen. Ich erhielt eine E-Mail vom Migrationsamt. Ich hätte 28
Kalendertage (nicht Arbeitstage) Zeit um eine lange Liste von Dokumenten
einzureichen. Darunter waren Dinge wie Schweizer und Australischer Auszug aus
dem Strafregister, Geburtsurkunde, Urkunde der eingetragenen Partnerschaft,
Formular so und so, Zeugenaussage von australischen Freunden und Verwandten
bezüglich der Echtheit unserer Beziehung, beglaubigt von einem Friedensrichter,
Dokument XY mit zertifizierter Übersetzung bitteschön… Dazu kamen noch die
ganzen „Beweisstücke“, die belegen, dass wir eine legitime Beziehung führen.
Das sind gemeinsame Fotos, Textnachrichten (jawohl… alle sms-, messenger-,
e-mailnachrichten und Geburtstags-/Weihnachtskarten). Ich musste auch meine
armen Eltern hetzen und das Schweizer Einwohneramt. Die haben sich mit meiner
Geburtsurkunde zwei Wochen Zeit gelassen. Ich habe ihnen dann in einer E-Mail
freundlich erklärt, warum ich’s ein wenig eilig habe. Sie haben die Urkunde
dann am nächsten Tag verschickt. Kurz darauf verliess ich allerdings die
Bürokratie des 21. Jahrhunderts.
Vom 18. –
22. April fand das Rowany Festival in Mittagong statt. Es ist das grösste
Mittelalterfest der SCA in Australien und Neuseeland. Die Besucher campen in
verschiedenen Households. Das kann eine Gruppe von Freunden ein Collegium oder
wie in meinem Fall ein Baronial Household sein. Diesem wird ein Platz auf dem
Areal für dessen Mitglieder zugewiesen. Die Households sind auch für die
Verpflegung der Mitglieder verantwortlich. Jeder hat irgendwann mal Wasser-,
Abfall-, Küchen- und Abwaschdienst. Ich reiste am Freitagmorgen (20. April) mit
Ty und Alex an. Ty war der Fahrer und er hat eine Vorliebe für Animeserien und
deren Titelsongs. Das haben wir dann auch im Auto gehört… Zur Ablenkung, schlug
ich vor, ein paar meiner Autofahrtspiele zu spielen. Das half.
Als wir
ankamen, baute ich rasch mein Zelt auf, was gar nicht so einfach ist, wenn man
bereits Gewandung tragen muss. Ist sozusagen Vorschrift auf dem Gelände. Ich
ging zum Campingplatz der Collegians. Dort waren dann Cailyn, Katya und alle
anderen Studenten. Die waren alle dabei sich für die grosse Schlacht
vorzubereiten. Man half sich gegenseitig die Rüstungen anzuziehen, schnürte
alles fest, zum Teil auch mit Panzertape und packte alle Schwerter und Schilde
zusammen. Schwer beladen half ich ihnen alles zum Schlachtfeld zu
transportieren.
Am
Schlachtfeld verlas der Herold bereits die Regeln für die kommende Schlacht.
Die Schlacht hatte etwa 100 Teilnehmer.
Die
Mehrheit, etwa zwei Drittel, waren die sogenannten „Heavy fighters“. Diese
tragen Plattenrüstung und führen entweder ein Schwert/Axt in einer und Schild
in der anderen Hand, einen Speer, ein Zweihänder Schwert oder eine
angelsächsische Version des Hellebardens.
Da dies kein Schaukampf sondern Sport ist, sind die Waffen nicht aus
Metall sondern sehen aus wie japanische Kendo Schwerter (Bambus und
Pinienholz).
Dann gab es
noch Leute mir Rapier, eine Art Degen. Am Spitzen Ende des Falchions oder
Kurzschwertes ist eine Art Gummi und beide Seiten sind natürlich stumpf.
Die dritte
Gruppe sind die Fernkämpfer mit Pfeil und Bogen oder Armbrust. Die Pfeile haben
runde grosse Gummibälle anstatt einer Spitze. Die Schützen haben grosse farbige
Federn am Helm, damit die Heavy fighter ihnen nicht allzu heftig aufs Dach
geben. Die Schützen tragen sehr viel leichtere Rüstungen, weshalb die Heavy
fighters nicht einmal zuhauen müssen, um sie zu erschlagen. Stattdessen sagen
sie nur: „Mylord/Mylady, you are slain.“.
Generell
gilt in der Schlacht und an Turnieren die Gentlemanregel. Man anerkennt, wenn
man geschlagen wurde und stellt keine falschen Behauptungen auf. Wenn die
Treffer des Gegners am Bein landen, muss man
auf die Knie. Wird der Arm getroffen, lässt man entweder die Waffe oder
den Schild fallen und kämpft mit einem Arm weiter. Wenn der Kopf oder Rumpf
„tödlich“ getroffen wird, hat man zu sterben. Das muss man alles selbst tun, da
kein Schiedsrichter dabei ist (was heisst nochmals „Self-Reported“ auf
Deutsch?). Das macht bei einer Schlacht mit 100 Teilnehmern natürlich sehr viel
Sinn. Ein Durchgang dauert in der Regel zwischen zwei bis fünf Minuten. Die Schlachten
dauern insgesamt ein bis zwei Stunden.
Ich schaute
eine halbe Stunde zu und musste dann zum Offizierszelt, da ich mich ein paar
Wochen zuvor als Heroldin freiwillig gemeldet hatte. Lady Adelise trägt die
Verantwortung für die Herolde und händigte uns den Campingplatzplan mit unserem
Zuständigkeitsbereich und den zu verkündenden Nachrichten aus. Man trägt einen
Tabad mit zwei gekreuzten Fanfaren drauf. Dann geht man von einem Haushalt zum
anderen und verliest die neusten Verlautbarungen. Ich ging also zu meiner
ersten Campinggruppe und rief so laut ich konnte: „Oyay, Oyay! Mylords, Myladies, these are the herold’s evening
announcements.“. Dann verlas ich, wann die nächsten Turniere und
Ordenssitzungen stattfinden sowie wer am falschen Ort parkiert war, etc.
Nachdem ich alles verlesen habe, bedankten sich die Haushalte und boten mir
Speiss und Trank an. Ich hatte leider nur etwa eine Stunde für 14 Gruppen.
Deshalb konnte ich nicht länger bleiben. Habe trotzdem 1.5 Stunden für alles
gebraucht.
Danach
gab’s Abendessen in meinem Haushalt. Letztes Jahr campierte ich mit meiner Uni.
Dort war das Essen eher bescheiden. Beim Rowany Camp war das Essen richtig gut.
Kristina, die Australierin mit Schweizer Eltern, war auch da. Sie entschuldigt
sich immer, dass ihr Schweizerdeutsch nicht so gut sei. Ist auch nicht leicht.
Sie wuchs hier auf dem Lande auf und ihre Eltern sind vom Züribiet. Da
überfordere ich meine Gesprächspartnerin mit meinem Baseldeutsch ein wenig.
Trotzdem geben wir uns beide Mühe und es ist immer wieder nett, mal wieder
Schweizerdeutsch zu sprechen.
Während des
Abendessens war das Hauptthema, ob Dumpling Sandwiches seien. Das ging dann
soweit, dass die Leute Pfannkuchen und Cornfritters als Sandwiches definieren
wollten. Banausen! Das sollte nicht die einzige kulinarische Blasphemie sein.
Uns kam zu Ohren, dass die Kollegien eine Bohnencocktailbar an dem Abend
eröffneten. Das Ziel war es, „baked beans“ aus der Dose in alle Cocktails zu
integrieren. Es gab den „Beana Colada“, den „Bean Thai“, den „Sex on the Bean“,
den „Beanopolitan“… Ihr versteht das Konzept. Wir gingen alle zu den Kollegien
und schauten Jackie beim Mixen zu. Jackie ist auch in der Brauers Gilde.
Letztes Jahr hat er einen Chilischnaps destilliert und den Leuten ausgehändigt.
Ich habe
ein paar der Cocktails probiert. Sie waren grauenhaft. Danach sassen wir noch
etwas ums Feuer und hatten einen spontanen Bardic Circle (ein wenig sing sang).
Pickles begleitete uns auf der Gitarre. Es war eine sehr schöne Nacht. Der
Himmel war voller Sterne. Ich habe in der Schweiz nie so viele Sterne wie in
Australien gesehen. Nicht einmal in den Alpen. Wir gingen dann weiter zum
Haushalt namens Asylum, einer der grössten der Barony. Dort traf ich ein paar bekannte Gesichter
meines ersten Mittelalterfests in Australien, die Frühlingskriege (Spring Wars)
in der Barony of Mordenvale (Maitland, nahe Newcastle). Dort sass ich mit Matt
am Feuer. Ein Vater durch und durch. Er ist zwar erst verlobt und noch
kinderlos, macht aber jetzt schon die ganze Zeit Vaterwitze. Im englischen Raum
sind „Dadjokes“ Wortwitze. Bsp. Jemand sagt: „I’m cold.“. Antwort eines Dads:
„Hi cold, I’m Dad.“. Ich sage immer „Stop it, Dad!“, wenn er sich wieder mal
einen Vaterwitz vom Stapel lässt. Alle waren in der Stimmung, die Nacht zum
Tage zu machen, da keine grossen Turniere oder Schlachten für den kommenden Tag
angesagt waren. Das heisst keine, ausser das Kronturnier an dem allerdings nur
etwa 14 oder 16 Leute teilnahmen. Ich blieb bis etwa Mitternacht bei dem Asylum
Haushalt und ging dann in die Heia. Anscheinend sind ein paar noch gegen zwei
Uhr morgens in den Tümpel Nacktbaden gegangen. Ich bin ja nicht scheu, aber das
Ding sah regelrecht Blutegelverseucht aus. Das brauche ich nun wirklich nicht.
Kalt war es auch. Seit wann bin ich so bequem?
Am nächsten
Morgen hatte ich eine Dusche, frühstückte mit meinem Haushalt und ging zum
Markt. Es war Markttag und ich wollte sehen, ob ich etwas Schönes für meine
nächste Gewandung finden konnte. Das Tavernenzelt wurde für ein paar Stunden
von den Händlern in einen Markt umgewandelt. Sie verkauften dort Sachbücher,
über Reinactementzeugs, Stoffe, Schmuck, Duftöle, Steine, Rüstungen, Waffen
(keine Schusswaffen), etc. Ich kaufte mir eine Bordüre mit keltischen Flechtmustern.
Diese kann ich für mein französisches Kleid des 12. Jh. verwenden. Ich hab’s
noch nicht genäht. Ist allerdings in Planung.
Danach ging
ich zum Workshop „English Poetry“. Dort lernte ich, wie man Volkslieder und
Gedichte im Englischen schreibt. Ich schreibe gerne Limmericks.
Nach dem
Mittagessen ging das „Crown Tournament“ los. Das findet zwei Mal im Jahr statt.
Der oder die Gewinnerin wird König oder Königin von Lochac (Australien und
Neuseeland). Diese müssen dann zu einer bestimmten Anzahl Festivals reisen und
Orden verleihen. Dafür bekommen sie gewisse Dinge wie die Flüge bezahlt und
werden meistens bei anderen Mitgliedern untergebracht. Deshalb ist das auch
eine beliebte Rolle in der SCA.
Ich ging
mit meinem Campingstuhl, einem Apfel, meinem Met, Wasser und einem Strohhut zur
Turnierarena. Habe mir einen guten Platz ergattert. Zuerst hielt das amtierende
Königspaar Hof und wir mussten alle aufstehen sowie hin und wieder „HUSSAH!“
rufen. Die Kämpfer stellten sich und ihre Consorts vor und sagten uns, warum
sie König resp. Königin werden möchten.
DREI
Stunden lang sind die Anwärter im Zweikampf gegeneinander angetreten, bis dann
endlich Kinkia Dai, ein Mongole, gewann. Wir haben nun keinen König sondern
einen Khan. Unser Khan ist ein vorzüglicher Schwertkämpfer. Er war wahnsinnig
schnell. Das traut man ihm gar nicht zu. Er ist etwa um die 40 und etwas klein.
Gleich im
Anschluss ging ich nochmals meinen Heroldtätigkeiten nach, ass zu Abend und
machte mich auf zur Kämpferauktion. Dieses Jahr gab es keine Sklavenauktion.
Weil das Festival zwei Wochen später als üblich stattfand hatten die meisten
Studenten Prüfungen. Diese sind normalerweise die Sklaven die man ersteigern
kann (man vergibt vier Stunden Arbeit z.B. Kinder hüten, Abwaschen, Rüstung
putzen, etc.). Zurück zur Kämpferauktion. Man kann einen Kämpfer ersteigern.
Der oder die wird dann am nächsten Tag an den Turnieren teilnehmen. Davor
spenden die SCA Mitglieder Preise, wie z.B. Gewandungen, Schmuck, Waffen oder
Ähnliches. Wer den Gewinner einer Disziplin ersteigert hat, darf sich dann zuerst
einen Preis aussuchen. Danach folgen die anderen Bieter entsprechend der Platzierung
ihrer Kämpfer. Das Geld kommt dem Club zugute. Die Auktion ist immer lustig.
Die Kämpfer stehen ausserhalb vom Tavernenzelt Schlange und warten darauf,
vorgestellt zu werden. Ein paar Herolde stehen bereit, um die Kämpfer den
Bietenden vorzustellen. Das läuft dann so: Der Herold winkt einen Kämpfer/in
ins Tavernenzelt und bittet ihn/sie auf den Heuballen zu stehen. Im
Tavernenzelt sitzen etwa 80 Leute bei Bier und Met. Der Herold muss sich erst
mal Gehör verschaffen: „Oyay, oyay!
Mylords, Myladies…“. Dann stellt man die Kämpfer vor und sagt, was ihre
Disziplin, vergangene Errungenschaften sind und was einem sonst noch einfällt,
um den Preis in die Höhe zu treiben.
Je mehr
Zeit verstrich, desto mehr stieg der Alkoholgehalt, der Bietenden. Es wurde
deshalb generell etwas lauter und die Gebote waren schwerer zu verstehen.
Einmal fragte der Herold: „Do I hear 25?“, und ein Bieter brüllte im breitesten
Boganakzent überdeckt von Gelalle: „THÖÖÖAADEEEYY!“. Das hat dann nicht einmal
der Herold verstanden. Ich sagte dann zu Kristina neben mir: „That must’ve been
the most Australian offer, I’ve ever heard.“. Er meinte “30”. Er wurde
überboten.
Nach der
Auktion spazierte ich über den Zeltplatz und stolperte über eine Party. Unsere
Baroness und Baron of Rowany waren die Gastgeber. Ich plauderte mit Hinz und
Kunz, ging dann aber doch nach einer Stunde schlafen. Am nächsten Morgen wachte
ich sehr früh auf. Nach meiner Dusche machte ich mich auf die Suche nach Kängurus,
Wombats und Wallabies. Die kommen immer in der Morgen- und Abenddämmerung raus.
Ich fand ein paar Wallabies nahe beim Camp den Kollegien. Eine kleine Gruppe
waren unter einer Art Nussbaum und verspeisten ihr Frühstück. Kurz darauf
packte ich mein Zelt zusammen und organisierte meine Mitfahrgelegenheit zum
Bahnhof. Ich verabschiedete mich von allen und stieg zu den anderen ins Auto.
Dann in den Zug. Dann in einen anderen Zug. Dann in die Dusche (so zu Hause,
ne).
Am
Donnerstag, 25. April war Anzac Day. Das war ursprünglich der Gedenktag für die
australischen und neuseeländischen Veteranen des Ersten Weltkrieges. Inzwischen
ist der Feiertag ein Ehrentag für alle
Veteranen im Lande. Im Morgengrauen finden überall in Australien Gedenkfeiern
statt. Später folgen dann landesweite Paraden in Dörfern und Städten zugleich.
Die Veteranen und Vereine gehen in Uniform durch die Strassen und halten die
Banner ihres jeweiligen Regiments hoch. Am Nachmittag darf man dann ‚two-up‘
spielen. Ein Glücksspiel, bei dem man Kopf oder Zahl wettet. Alle stehen um die
Münzwerfer. Diese haben drei Münzen auf einer Art Pfanne. Wenn alle ihre Wetten
platziert haben, werfen die Münzwerfer die Münzen in die Luft, wie ein Omelett.
Dieses Jahr organisierten Camilla und ihre Mitbewohner ein BBQ. Wir sassen bei
ihr auf der Veranda, assen Brunch und plauderten miteinander. Irgendwann
machten wir uns alle auf den Weg zu einem Pub in der Nähe in dessen Garten man
eine two-up Arena eingerichtet hatte. Es war vollgestopft mit Leuten, die alle
sehr guter Laune waren. Ich habe einmal AUD 5.— und einmal 20 Cents gewettet.
Die fünf Dollar habe ich verloren und 20 Cents gewonnen. Da das in Australien
allseits beliebte „Daydrinking“ mich ausgesprochen müde macht, ging ich gegen sieben Uhr wieder nach Hause und sah mir einen der Harry Potter Filme an. David
war währenddessen noch beim Catanspiel vertieft. Er spielt regelmässig mit ein
paar Freunden Catan, so auch am Anzac Day. Hier noch ein paar Impressionen der
two-up Arena.
Eine Woche
später fand meine Abschlusszeremonie an der Uni statt. Bahja kam dafür eigens
von Chicago zurück nach Sydney. Ich bestellte einen Tallah, einen Trencher und
einen Schal zur Miete. Ich liess meine Absätze an den Stilettos reparieren.
Die Zeremonie
fand am Donnerstag 11.30 statt. Obwohl es eine Liveübertragung online gab,
glaube ich kaum, dass meine Schweizer Verwandten um vier Uhr morgens
aufstanden, um mich für etwa 20 Sekunden auf der Bühne zu sehen.
Erst mal
der Reihe nach. Bahja und ich holten um 10:20 unsere akademischen Gewandungen
ab und registrierten uns für die Veranstaltung eine viertel Stunde später.
David und Bahjas Cousine, Lisa, gesellten sich danach zu uns. Kurze Zeit später
wurden wir wieder separiert und zu den anderen Absolventen geschickt. Dort sass
dann auch schon Harriet. Wir plauderten ein wenig über ihre Stelle an der Uni
und dann ging’s auch schon los. Die Gastrednerin schreibt sehr interessante
Journal Artikel, aber leider keine guten Reden. Sie erzählte uns, was wir alles
werden können, dank unseres Abschlusses… für etwa fünf Minuten: „Ihr könnt in
die soziologischen Aspekte der neuen Medien erforschen, ihr könnt für eine NGO
arbeiten oder eine grosse Firma,…“. Okidoke. Danach wurden wir alle der Reihe
nach aufgerufen. Als ich auf die Bühne kam überreichte mir die Vizedirektorin
mein Masterdiplom, fragte mich, ob ich’s toll hatte in Australien, drehte mich
zu Seite, einmal lächeln für die Kamera und tschüss.
Bahja, ihre
Cousine Lisa, Camilla, David und ich gingen anschliessend in einem netten
Restaurant Mittagessen. Lisa arbeitet in Washington DC und wurde von uns mit
Fragen über die Trump-Regierung gelöchert. Ich kann mich allerdings nicht mehr
genau daran erinnern, als was sie dort gearbeitet hat. Dank Lisa weiss ich
jetzt, dass die Leute in der US Politik chronisch überarbeitet und unterbezahlt
sind. Das heisst, alle ausser den Politikern, die es nach oben geschafft haben.
Ich habe an
dem Tag viele Komplimente für mein Kleid bekommen. Ich trug dasselbe Kleid, wie
an meinem Bachelorabschluss. Das Kleid ist sehr schön und ich nehme jede
Gelegenheit war, es zu tragen.
Abends sah
ich Bahja wieder. Sie wollte ein paar Leute in einem Pub treffen, um den
Abschluss zu feiern. Der Pub war in Surry Hills. Es war eine tolle Runde mit
coolen Frauen. Wir gingen irgendwann in den zweiten Stock, wo eine Jazzband
spielte. Ich hörte ihnen zu und wurde ganz entspannt. Ein tolles Gefühl.
Ausserdem erinnert mich Jazz immer an meinen Vater. Er ist ein grosser
Jazzliebhaber. Gegen zehn Uhr wollten die Leute wieder Heim und ich auch. Ich
musste mich aktiv daran hindern, diesen Abschluss mit meinem anderen Abschluss
zu vergleichen. Es war eine andere Zeit, mit anderen Menschen an einem anderen
Ort. Bahja sagte, sie hatte dasselbe Problem. Ausserdem wird man an der
University of Sydney manchmal wie eine Kuh Herde behandelt –schnell und
unpersönlich. David, Camilla und alle
die da waren, gaben dem Tag das, was mir am meisten bedeutet: Die Möglichkeit,
einen Meilenstein mit Liebsten und Freunden feiern zu können. Meine Familie und
Freunde in der Schweiz waren in meinen Gedanken auch dabei.
Danach war ich
wieder voll damit beschäftigt, meine Unterlagen für’s Visum zusammen zu kramen.
In dem ganzen Papierchaos kam allerdings auch endlich etwas tolles Zustande. Wir
verkauften das Auto und konnten, die Flugtickets für die Schweiz kaufen. Wir
suchten schon länger einen Käufer. Wir brauchen das Auto nicht und die Leasinggebühren
waren recht hoch. Soweit fehlt das Auto nur bei unserem Wocheneinkauf am
Wochenende. Aber ich habe ja mein Einkaufswägelchen und einen Rucksack. David
machte sich früher noch über das Wägelchen lustig. Ich sähe damit wie ein
Grossmütterlein aus. Er hat inzwischen jedoch dessen Vorzüge auch kennen und
schätzen gelernt. Der nächste Supermarkt ist 20 Minuten zu Fuss entfernt. Wir
werden uns wieder ein Auto zulegen, sobald ich eine Stelle gefunden habe.
Ich ging am
Dienstag darauf wie so oft wieder einmal in der Gegend spazieren und entschied
mich dazu ein paar Fotos von Newtown zu machen. Ich erzähle immer von Orten in
Sydney, zeige Euch allerdings nie Fotos von der eigentlichen Stadt. Also hier
bitteschön.
Wart Ihr
schon mal so frustriert, dass Ihr Euch einen Drucker gekauft habt? Für das
Visum mussten wir häufig Formulare und sonstige Dokumente ausdrucken,
signieren, einscannen und hochladen. Dafür sind wir bisher immer in den Laden
für Bürobedarf gegangen (etwa 40 min. zu Fuss). Am Mittwoch, dem 9. Mai war ich
den ganzen Tag wieder am Dokumente und Beweise für das Visum zusammensuchen und
hochladen. Ich hatte alle nötigen Formulare, die wir ausdrucken mussten auf
einen Memorystick hochgeladen, dachte ich. Als ich dann im Laden für Bürobedarf
ankam, bemerkte ich, dass mir ein einziger, blöder Fötzel fehlte. Ich war so
untröstlich, dass ich mir einen Drucker für AUD 60.— kaufte. David war auch
dabei und bester Laune. Er war dann so lieb und trug ihn nach Hause. Ich habe ihn dann sogleich auf unseren beiden
Laptops und meinem Handy installiert. Ich hatte noch nie so viel Freude an
einem Drucker. Wir haben ein Bild von Socksy (Mary Ann’s Kater) ausgedruckt und
eingerahmt.
Am Tag
darauf war dann auch schon der Season Launch des Rugby League Vereins. Wir
trafen uns alle in der Forrest Lodge. Dort waren das Männerteam, Camilla, Gaby
und ich, als Vertreterinnen des Frauenteams, Sponsoren, ehemalige Spieler,
Coaches und der Clubpräsident. Ein Comedian hat den Abend gestartet, danach gab
es Reden und irgendwann auch essen. Auf einer grossen Leinwand sahen wir uns
nach dem Essen gemeinsam das Spiel der Balmain Tigers gegen die North
Queensland Cowboys an. Die Tigers, das lokale Team, gewann, was uns alle
freute. Emily, kurz Em, ist eines unserer Teammitglieder und seit kurzem die
Abteilungsleiterin für Sponsoring und Events der Tigers. Deshalb war sie beim
Essen nicht dabei. Da es allerdings auch ihr Geburtstag war schrieb ich ihr
einen Limmerick. Sie sagte, dass sie ihn mochte. Hier kommt der Limmerick
The strongest girl of the team
Watching her play, oh what a dream!
She'd be such a winner If her workload was thinner,
But our Em is the rugby league queen.
Sie erzählt
uns immer wie überarbeitet sie ist. Keine Sorge, der Limmerick war auf ihre
alte Stelle bezogen. Die neue Stelle bei den Tigers sei viel besser.
Am
Wochenende darauf ging ich zu Lincraft. Zuvor fand ich ein tolles Schnittmuster
für einen osmanischen Caftan 15.- 17. Jahrhundert, das ich unbedingt nähen
wollte. Nach zwei Stunden kam ich mit Stoffballen und Fäden wieder heraus. Ich
machte mich dann sogleich ans zuschneiden und nähen. Nach etwa drei Tagen hatte
ich dann meinen schönen Caftan fertig.
Am
Wochenende darauf war Greg’s Geburtstag. Wir trafen uns dafür alle in Rose Pub
in meiner alten Nachbarschaft in Darlington/Chippendale. David und ich machten
noch beim guten alten Leroy halt. Ein dicker Kater, der an der Abercrombie
Street lebt. Er war guter Laune und hat sich über seine Streicheleinheiten
gefreut. Im Rose Pub sassen Greg mit Familie und Freunden schon. Ich wurde
allen vorgestellt. Die Leute waren sehr nett und ich hatte eine gute Zeit. Ich
kann nicht viel berichten, da wir einfach nur geplaudert haben. Gegen
Mitternacht machten wir uns auf den Heimweg.
Am nächsten
Tag ging ich ans Blacktown Mittelalterfest. Auf diese Weise konnte ich mein
neues Kleid Gassi führen. Das Fest war etwa anderthalb Stunden mit dem Zug
entfernt. Ich sah mir dort ein paar Schaukämpfe an, plauderte mit meinen
Mittelalterclubmitgliedern und sah mir die Stände an. Ich weiss nicht, ob’s an
der Müdigkeit oder am Fest selbst lag, aber nach zwei Stunden wollte ich wieder
nach Hause. Es war ein öffentlicher Event, was bedeutet, dass es eher wie ein
Jahrmarkt aufgebaut ist. Ich bin durch das MPS (Mittelalterlich Phantasie Spectaculum) ein wenig verwöhnt. Ich stieg also in den Zug
und fuhr wieder zurück nach Stanmore.
Letzte
Woche war ich vor allem damit beschäftigt, meinen Blog zu schreiben… habe mir
ja auch lange genug damit Zeit gelassen. Ich ging wie jeden Mittwochabend und Samstagmorgen
zum Training. Wir machen viele Sprints und üben Pässe. Es macht mir wirklich
Spass, weil ich jede Woche besser werde. Zumindest rede ich mir das immer
wieder ein.
Am Sonntag ging
ich mit Kim und Gaby in den Royal National Park. Wir wanderten auf den Marley
Beach Walk. Der Wanderweg fängt im Wald an, führt an einem Steinpool vorbei und
endet am Marley Beach. Wir haben zwar kein Badewetter mehr, aber Kim und Gaby
gingen trotzdem eine Runde schwimmen. Ich sammelte in der Zeit ein paar
Muscheln für meine Sammlung zu Hause. Ich sammle ohne Ziel. Schön müssen die
Muscheln sein, das ist mein einziges Kriterium. Als wir dann zu Mittag assen,
sahen wir ein paar Buckelwale in der Ferne. Sie schnaubten Wasserfontänen in
die Luft und schwammen zur Oberfläche für einen Atemzug. Leider hatten wir
keine guten Kameras für diese Entfernung. Ausserdem wäre es auch schwierig
gewesen, im richtigen Moment abzudrücken. Schön war es trotzdem. Hier noch ein
paar Fotos von der Wanderung.
Das war’s wieder
einmal von mir. Ich freue mich ungemein auf meine Reise in die Schweiz, wo ich
meine Familie und Freunde wiedersehe (Nur noch DREI Wochen! GAAAAH!).
G’day from far away und bis demnächst.
piranialight.
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