Sydney 28 - Geheimsprachen und wieso ich einen Drucker kaufte


Es ist Ende Mai und ich habe meine Drohungen endlich wahr gemacht, indem ich nun die Flugtickets für drei Wochen Schweiz Aufenthalt gebucht habe. Seit dem letzten Blogeintrag habe ich zwar keinen Job gefunden, aber dafür war ich am Grossen Mittelalterfest in Mittagong, habe artig meine Hüftübungen, Rugby League-Trainings und Meditationen gemacht, meine hunderttausend Dokumente fürs Visum nachgereicht, meinen Masterabschluss gefeiert und einen osmanischen Caftan im Stil des 15. Jahrhunderts genäht.

Der letzte Blogeintrag ist vom 31. Januar. Da war es noch warm und zu gleich rückte die Winterolympiade in Südkorea näher. David, Camilla und ich haben uns gegenseitig damit angestachelt, das unsere Heimatländer jeweils mehr Medaillen gewinnen werden. Natürlich hat Norwegen mehr Rangplätze erstritten als die Schweiz und die Schweiz übertraf Australien in den meisten Disziplinen. Wir waren ausserdem sehr zufrieden mit dem Austragungsort, da die Fernsehübertragung deshalb nur drei Stunden Zeitverschiebung hatte. Auch wenn das russische, gemischte Curling Team, wegen Dopinggebrauch ihre Bronzemedaillen zurückgeben mussten, waren sie doch das Team, dem wir am liebsten zugesehen haben. Die Frau hat international viele Kommentare über ihre Schönheit bekommen. Uns ist allerdings ihre hohe Stimme am meisten aufgefallen. Vor allem, wenn sie ihren Mann an kreischte er solle: „SWEEEEEEEEEP!!“-en. Sie klang ein wenig wie ein Quietschspielzeugknochen, der von einem enthusiastischen Labrador zerkaut wird. Hat nicht jeder so einen netten Tenor wie ich. Ich wurde schon öfters am Telefon mit: „Griezi Herr (Nachname)“, angesprochen. Vor allem als ich noch Raucherin war.

Ende Februar sind zwei Dinge passiert, die von grosser Bedeutung sind. Erstens haben wir das Auto zum Verkauf freigegeben und zweitens ass ich mein erstes Käsefondue innerhalb von zwei Jahren. Ich stiftete meine liebe Mutter dazu an, mir eine Käsefonduemischung per Post zu schicken. Sobald diese dann bei mir in Sydney ankam, ging ich auf die äusserst nützliche Seite, namens Gumtree. Dort kann man alles Mögliche kaufen und verkaufen. So tippte ich „Käsefondue set“ und hatte prompt einen Treffer in der Gegend für AUD 50.- (ca. CHF 35.-). Die Verkäuferin kam ursprünglich aus Mannheim, lebte inzwischen in Sydneys Nordteil und hatte nie Verwendung dafür. Das Set hatte eine Pfanne, Gaklon, drei oder vier Brenngels und etwa ein Duzend Gäbelchen. Ein alter Studienfreund aus der Schweiz lebt nicht allzu weit weg, weshalb ich ihn natürlich dann zum Fondue Essen einlud. Es war der Schweizer David, den ich früher mal erwähnt habe. Er kam, ass Fondue mit dem australischen David und mir. Leider hat der aussie David sich nur teilweise mit dem Käsfondue und Kirsch anfreunden könne. Es ist halt immer noch „an acquired taste“. Es wäre praktisch, wenn das jemand direkt übersetzen könnte. Es bedeutet, dass man für etwas mit der Zeit einen Geschmack oder eine Vorliebe entwickelt und es nicht von Anfang an schon mag. Am nächsten Tag gingen wir auf eine Wanderung zum Mackerel Beach im Kuring Gai Chase National Park.





Am Wochenende darauf schauten wir uns das Spiel der Frauen Teams der Giants and Carlton im Drummoyne Oval an. Das liegt direkt am Wasser und ist ein bisschen wie Henson Park. Die Leute sitzen zum Grossteil auf den Hügeln, die das Spielfeld umranden. Die Giants haben ziemlich hoch verloren. Zudem kam ein mächtiges Gewitter nach dem ersten Viertel und durchnässte alle Anwesenden bis auf die Knochen. Wir kamen vorbereitet, mit Regenjacke, Badtüchern und Ersatzkleidung. Davids Bruder Lee und dessen Tochter waren ebenfalls da. Sie ist neun oder zehn Jahre alt und war recht beeindruckt von den Damen auf dem Feld. Sie sagte, sie wolle auch anfangen AFL zu spielen. Nach einem Spiel dürfen die Zuschauer aufs Feld und mit ihren mitgebrachten AFL Bällen spielen. Wir waren natürlich auch dafür ausgerüstet. So spielten wir mit seiner Nichte ein wenig, bis man uns alle vom Feld vertrieb.


Am Sonntag darauf sind David und ich wieder zum Kuring Gai Chase National Park gefahren. Dieses Mal wollte ich ganz cool sein und einen Wanderweg nehmen, der nicht auf der Seite des Nationalparks ist sondern nur auf Google. Der Towler’s Bay Trail war eine schöne und vor allem lange Strecke, die leider nicht zu einem Strand führte sondern nur zu einer Bay mit vielen Booten, und Steinen. Wir blieben tapfer und wanderten in der Hitze brav wieder zurück. Alles bergauf versteht sich. Oder vielleicht auch nicht. In der Schweiz startet man eine Wanderung meistens im Tal und versucht auf einen Hügel oder Berg mit schöner Aussicht zu finden. In Sydney an der Küste, wandert man vom Hügel zum Meer (also bergab) und wieder zurück (bergauf *keuch*). 



Am Wochenende darauf, 23. Februar, waren wir wieder an einem Spiel. Dieses Mal war es ein Freundschaftsspiel, vor dem Saisonbeginn der Männerteams der Giants und Swans im allseits beliebten Henson Park, Marrickville. Ich weiss nicht mehr, wer gewann. Ist auch irrelevant, da es  ja ohnehin nicht zählt. Wir haben, wegen meinem nicht vorhandenen Einkommen, ein recht kleines Budget, weshalb wir ausschliesslich zu Hause essen oder Lunch Pakete vorbereiten. Für dieses Spiel habe ich vegetarische Bourritos gemacht. Statt Fleisch habe ich Rührei mit Tasty Cheese (eine Art Gauder oder Cheddar) benutzt. Dazu noch eine Salsa, Guacamole, Sourcreme und Frühlingszwiebeln als Garnierung. Ein sehr leckeres  Stadiongericht.



Da ich jetzt schon einige Monate jede Woche einen Menüplan für den Wocheneinkauf erstelle und viel mit neue Gerichte gekocht habe, dachte ich mir, dass Ihr eine Top 10 meiner Rezepte haben sollt. Viel Spass beim Probieren. Ist leider alles auf Englisch. Ein Cup ist etwa 250 ml/g. Die messen hier vieles in Cups. Tbsp. ist Esslöffel und Tsp. ist Tee-/Kaffeelöffel.
  1. Saganaki Crevetten (ich habe den Fetakäse weggelassen und Gnocchi hinzugefügt) Rezept
  2. Würzige Karotten, Mais- Fritters Rezept
  3. Weisskohl, Brunnkresse, Pinienkerne- Dumplings Rezept 
  4. Tom Kha Gai (habe Crevetten statt Poulet verwendet) Rezept 
  5. Tomaten Perlen Couscous mit Oliven und grüne Bohnen Rezept
  6. Veggie Bourritos Rezept
  7. Gebackene Crêpes gefüllt mit einer Spinat, Champinion, Bechamél Mischung Rezept 
  8. Crèmige Polenta mit Champinion, Tomaten und Chinakohl Rezept
  9. Tortellini Suppe Rezept 
  10. Veggie Stoganoff Rezept 




Auch wenn ich nun nicht mehr an der Uni bin, war ich trotzdem an der O-Week. Die war so um den ersten März herum. Das sind eigentlich nur drei Tage, an welchem sich alle Societies und Sportteams präsentieren, um neue Mitglieder anzuwerben. Da ich arbeitslos bin half ich an den drei Tagen aus. Ich habe herausgefunden, dass die meisten Frauen gar nie in Erwägung zogen, jemals Rugby League zu spielen. Ich musste regelrecht auf die Frauen einzeln zugehen, ihnen den Ball hinstrecken und fragen, ob sie schon mal daran dachten, Rugby League zu spielen. Ich habe 24 Namen und E-Mailadressen gekriegt. Nun ratet mal, wie viele von denen jetzt im Team sind… Keine. Ich lernte ein paar nette Leute in den Ständen neben unserem kennen. Ansonsten war die Mühe allerdings vergebens. 



Wir haben Schwierigkeiten ein Team aufzubauen. Angeblich kämpfen andere Unis mit demselben Problem. Das ist recht schade. Wir versuchen es weiter. Ich arbeite an einem Kommunikationskonzept für das Team. Mal sehen, welche Ressourcen der Club uns zugesteht. Trotz allem stehe ich fast jeden Samstagmorgen auf der Matte und Jogge, übe Kicks und Pässe mit meinem Team. Am Mittwochabend ist reguläres Training. Wir haben einen  Fitnessteil, welchen wir mit dem Männerteam absolvieren. Danach teilen wir uns auf und arbeiten getrennt an Techniken. Die Männer haben dann meistens Tackle Training. Ich bin hell begeistert, weil ich endlich besser im Sprinten werde. Ich war immer sehr langsam und wurde nicht schneller. Irgendwann habe ich dann einfach mal die Knie höher angezogen und voilà, ich war auf einmal etwa um ein Viertel schneller. Klingt jetzt banal, aber mich hat’s riesig gefreut.

Camilla feierte am 13. März ihren Geburtstag mit einem BBQ bei sich zu Hause. Ich wollte ihr eine Piñata schenken. Ich machte mich auf den Weg zu Reverse Garbage (ein Brockie für Bastelbedarf) in Marrickville. Die hatten eine Piñata für fünf Dollar. Danach ging ich zu Woolworths und kaufte Süssigkeiten und Kondome. Diese packte ich dann alle in die Piñata. Ich wusste, dass keine Kinder, Eltern oder sonstige Verwandten an ihrem BBQ sein würden. Deshalb dachte ich, dass man mir das noch durchgehen lassen kann.  Ich kaufte auch die Zutaten für den Cocktail „White Russian“. Camilla wollte, dass die Gäste Cocktail Material mitbringen.  An ihrem Ehrentag schrieb ich ihr noch einen Limmerick. Ich wollte ihr noch etwas Persönlicheres schenken.
Hier kommt der Limmerick:

There once was a girl from Norway,
She came to Australia to stay.
Her name is Camilla,
Which rhymes with Godzilla
And we celebrate her Birthday today.

David und ich packten die Piñata, einen Cricketschläger und den Schnaps ein und fuhren zu ihrem Haus. Dort angekommen, nahmen wir dann alle Cocktails, Wein, Bier und ein wenig Essen zu uns. Die Piñata war super. Wir haben sie im Garten aufgehängt und Camilla den Cricketschläger gegeben. Sie ist allerdings eine erwachsene Frau. Weshalb die Piñata nach zwei Schlägen platzte.  Die Leute haben sich trotzdem gefreut. Sie mochte ihren Limmerick sehr. David ging früh Heim. Ich blieb noch eine Weile. Gegen 11 Uhr wollte das Geburtstagskind in einen Pub in Piermont. Wir bestellten drei Uber und fuhren hin. Da es am nächsten Tag 38°C werden sollte, fragte ich an der Party ein paar Leute, ob sie mit David und mir nach Bundeena an den Jibbon Beach kommen möchten. Einzige Bedingung war, dass man sich bei mir bis halb zehn Uhr morgens melden musste. Ich ging um ein Uhr dann auch nach Hause. Am nächsten Morgen schrieb mir Kim und sagte, dass sie, Sina und Siggi mitkommen wollen. Camilla hatte am Abend zuvor schon abgelehnt.

Wir holten die Mädels ab. Sina fragte, ob wir bei Camilla vorbeifahren könnten. Sie hätte ihre Reisetaschen dort gelassen. Ich rief Camilla an. Sie klang… schmerzerfüllt. Sie ist anscheinend nicht vor dem Morgengrauen nach Hause gekommen und hat sich mit einen irischen Rugbyfan über eine Schale Chickenwings angefreundet. Ich gebe Anthony die Schuld. Wenn er angeheitert ist, stiftet er immer alle dazu an Shots zu trinken. Er hat mir auch etwa vier Mal einen Shot angeboten. Ich blieb stark und habe alle vier freundlich abgelehnt.

Sie sagte, dass sie sich freue, dass ich doch nochmals anrufe. Sie hätte ihre Meinung geändert und wolle doch mitkommen. Sie könnte einen schönen Strandtag jetzt gut gebrauchen.  Wir haben dann eine nicht verkaterte Fahrerin (Kim) organisiert, die im zweiten Auto mit Camilla mitfahren konnte. Sie bat auch ganz bescheiden, um Hilfe beim Aufräumen. Ehrensache. Wir kamen an, räumten auf, putzen, packten sie ein und fuhren nach Bundeena. Es war so heiss, dass jedes Mal wenn ein Windstoss kam, es sich wie der Atem eines Drachens anfühlte. Es war sehr windig. Das Meer war wunderbar. Es war etwas aufgewühlt mit viel Seetang, aber da es eine Bay war, waren die Wellen praktisch nicht vorhanden. Ich ging mehrere Male ins Meer und liess mich treiben. Wir hatten auch ein Uno-Spiel dabei und spielten ein paar Runden. So gegen drei oder vier Uhr nachmittags fuhren David und ich wieder zurück.

In der Woche darauf habe ich dann Katya vom Mittelalterklub zu mir nach Hause eingeladen, damit wir an ihrem Kleid arbeiten können. Sie wollte schon lange meine deutsche Gewandung aus dem 16. Jahrhundert nachschneidern. Ich habe ihr natürlich gerne dabei geholfen. Sie wohnt nicht weit weg, hat allerdings keine Nähmaschine und kein Schnittmuster. Wir fingen ursprünglich letztes Jahr an die Stoffe zu kaufen und zu zuschneiden. Da das grosse Mittelalterfest bald stattfand, machten wir uns endlich ans Werk, alles zusammen zu nähen. Sie kam an zwei Tagen vorbei und hat artig jeweils acht Stunden genäht.

Etwa Mitte März fand der Newcomer Event des Mittelalterklubs in Erskineville statt. Dabei veranstalten die Mitglieder Workshops für den Arts & Science Bereich und die Kämpfer organisieren Trainingsstunden. Abends gibt es dann ein Festessen. Für die Veranstaltung habe ich meine römische Pletos Tunika ausgebessert. Der Schweizer David fragte mich in einer SMS, ob ich Lust hätte, mich am selben Abend  mit ihm und einem seiner Arbeitskollegen auf ein Bier zu treffen. Ich sagte zu, erwähnte aber, dass ich wahrscheinlich nicht vor zehn Uhr abends aufkreuzen werde. Ich packte ein paar normale Klamotten ein, zog meine Pletos Tunika an und machte mich auf dem Weg. Unterwegs dorthin fing es an zu schütten. Glücklicherweise konnte ich mir einen Schirm kaufen, allerdings stapfte ich mit meinen Sandalen in eine grosse, schwarze Pfütze. Mmmmhhh Strassendreck. Als ich dann in der Erskineville Townhall ankam, konnte ich endlich mein Bein waschen. Der Saal war mit Mittelalterlichen Bannern und Wandteppichen dekoriert. Alle waren kostümiert. Es hatte etwa zehn Tische im Saal und genügend Stühle für alle. Es gab vier Gänge, alles nach historischen Rezepten. Vor dem Dessert wurde dann Hof gehalten. Der Baron und die Baroness von Rowany (Region Sydney) sassen auf ihren Thronen, der Hofstaat stand hinter ihnen. Die Heroldin verlas die Würdigungen und Ehrungen, die an verdiente Mitglieder gingen. Man kann, Mitglied von verschiedenen Orden werden und verschiedene Ehrenbezeichnungen verliehen bekommen. Der Ritterstand wäre eine davon. Jedes Mal, wenn jemand etwas verliehen bekam oder in einen Orden aufgenommen wurde, riefen alle im Saal: „Hussa!“. Ist so eine Sache in der SCA.

Nach dem Abendessen bildeten ein paar von uns den Bardenzirkel (Bardic Circle). Das ist nichts anderes als eine Gruppe von Leuten, die ein paar Lieder singt. Ich sang Wild Rover, andere sangen Sea Shanties, wie „Botany Bay“ (australisches Seefahrerlied). Wisst ihr was? Wenn ich das Lied schon erwähne sollte ich Euch wenigstens einen Link zu einem Youtube Video bereitstellen.

Ich wechselte wieder in meine normale Strassenkleidung und ging gegen neun Uhr Richtung Innenstadt. Schweizer Dave und sein Arbeitskollege, nennen wir ihn mal Riff Boy, waren in einer Backpacker Bar oder Club. Ich habe ihn Riff Boy getauft, weil ich seinen Namen vergessen habe und er aus der Gegend Penrith kommt, allgemein bekannt als „The Riff“, wegen der letzten Silbe von Penrith. Der Club spielte den üblichen Chartkram. Gar nicht mein Ding. David und ich quatschten ein wenig, während dessen Riff Boy sternhagelvoll auf der Tanzfläche versuchte eine Frau fürs Leben zu finden. Ich will Euch nicht länger auf die Folter spannen. Er hat… keine Frau gefunden. David erzählte mir, dass Riff Boy eine ernsthafte Beziehung eingehen und sesshaft werden will. Irgendwann kam er dann zum Tisch zurück und sagte, dass David und ich aufhören sollen uns in unserer Geheimsprache zu unterhalten. Er meinte Schweizerdeutsch… Ich sagte ihm, dass er nicht so einen Aufstand machen solle. Unsereins hat selten die Gelegenheit die Muttersprache zu sprechen. Er schien das zu verstehen. Wir wollten noch in einen Pub, aber die Türsteher liessen den betrunkenen Riff Boy nicht herein. So gingen wir zum Bahnhof und ich verabschiedete mich.

Zwei Wochen darauf war dann Katya und Cailyns Einweihungsparty. Sie wohnen etwa drei Bahnstationen von mir entfernt in Summer Hill. Da es eine „Communist Party“ war, sollten wir ein Geschenk passend zum Motto mitbringen. Ich brachte eine Sichel und einen Hammer, welche ich in einem Brocki gefunden habe. 


Es war gar nicht so einfach ein passendes Geschenk zu finden. Liegt vielleicht daran, dass der Kommunismus nicht ganz so kommerzialisiert ist wie andere Bewegungen. Ich kann jetzt schon meine sozialistischen und kommunistischen Freunde prusten hören… Ja ja. Ich weiss. Es gibt genug T-Shirts mit Marx und Engels drauf. Nur leider habe ich in ganz Sydney keines gefunden. Die Blasphemie ging noch weiter. An der Party haben wir etwa fünf Pizzen von Dominos bestellt. Irgendwann hat die Mehrheit der Gäste angefangen die Lieder des Musicals „Hamilton“ zu singen und rappen. Ich habe das Musical immer noch nicht im Ganzen gehört. Bei englischen Songs schaltet mein Gehirn immer noch auf Durchzug und ich muss mich konzentrieren, um den Text zu verstehen. Gegen Mitternacht war die Einweihung dann vorbei, und ich ging nach Hause.

Zwei Tage später feierten wir dann Ostern bei den Urquharts. Ich gab mir wie immer die grösste Mühe mich an alle Namen zu erinnern. Hat soweit recht gut funktioniert. Nach dem Essen haben die Kinder Schoggi Eier gesucht, bei etwa 30° C. David brachte etwas Knetmasse und Holzspiesse mit. Wir sassen um den Couchtisch und formten kleine Monster, die aus dem Ei schlüpften. Ich habe versucht einen gehörnten Dämon zu machen. Beim Transport nach Hause sind ihm dann aber leider die Hörner abgefallen. Während unserer Bastelstunde ereignete sich ein Autounfall vor dem Haus. Ein Fahrradfahrer wurde von einem Auto angefahren. Er brach sich dabei ein oder beide Beine. Die Polizei und einige Schaulustige waren zugegen. Der Fahrradfahrer war bei vollem Bewusstsein und wurde gut versorgt. Später gingen wir alle in den nahegelegenen Park und kickten den Footy (AFL Ball) einander zu. Wir waren alles Frauen ausser David. Seine Familie besteht aus vielen Nichten, Schwestern und Schwägerinnen. Mit meinen drei Halbschwestern und einer Schwester wird das Geschlechterraten des potentiellen Nachwuchses ja ziemlich vorhersehbar. Ich bin nicht schwanger, falls ihr Euch gewundert habt.  Falls Ihr Euch NICHT gewundert habt, entschuldige ich mich für meine dreiste Annahme. Als wir wieder zum Haus spazierten, ging die Sonne schon unter. Am Rande des Parks fütterte ein Mann die Kakadus. In freier Wildbahn werden die sehr gross. Etwa so 40 cm. Sie haben einen Heidenkrach gemacht mit ihrem Gekreische, sahen aber sehr knuffig aus mit ihren gelben Irokesen.  Kurze Zeit später gingen wir wieder nach Hause.

In der Woche darauf hatte ich dann zwei Bewerbungsgespräche aus denen nichts wurde. Man hat mir allerdings versichert, dass ich nicht unterqualifiziert gewesen wäre oder einen schlechten Eindruck hinterlassen hätte. Das ist doch mal beruhigend. Ich weiss ja, dass ich bei Zeiten recht polarisierend sein kann.

Ich habe mich danach noch lang weiter für Stellen beworben. Allerdings nehme ich momentan eine Auszeit von der Jobsuche, da ich für drei Wochen in die Schweiz komme. Das wäre nicht wirklich vereinbar mit einem neuen Job, selbst wenn ich morgen anfangen würde. Ich habe mit einigen Leuten darüber gesprochen. Viele meinten, dass ich vielleicht die Reise in die Schweiz verschieben sollte, bis ich eine Stelle finde und mich eingearbeitet habe. Ich war und bin sehr dagegen. Natürlich ist mir bewusst, dass dieser Vorschlag gut gemeint ist. Was diese Variante allerdings auslässt ist, dass ich ja nicht in meiner Heimat sitze und zum Wohle einer neuen Stelle mich gegen einen dekadenten Urlaub entscheide. Die Realität ist, dass ich nach zwei Jahren im Ausland und einigen sehr heftigen Kulturschocks endlich wieder meine Familie und Freunde, die mich mein Leben lang begleiteten, sehen und in die Arme schliessen will.

Huch, das war jetzt etwas emotional. Ich wollte es erwähnen, da dieser Blog auch für Leute sein soll, die mehr über’s Auswandern oder lange Auslandsaufenthalte lernen möchten. Kulturschocks sind eine unschöne Realität. Eine Kiwi Freundin (Neuseeländerin) sagte mir mal, dass die Kulturschocks einfacher zu bewältigen sind, wenn man nach dem ersten Auswandern nochmals auswandert. Ich fand ja Island schon immer spannend. Scherz bei Seite. Ich bleibe vorerst in Australien. Ich habe noch viel zu erleben und entdecken hier.

Zurück zu den Ereignissen. Ich erhielt eine E-Mail vom Migrationsamt. Ich hätte 28 Kalendertage (nicht Arbeitstage) Zeit um eine lange Liste von Dokumenten einzureichen. Darunter waren Dinge wie Schweizer und Australischer Auszug aus dem Strafregister, Geburtsurkunde, Urkunde der eingetragenen Partnerschaft, Formular so und so, Zeugenaussage von australischen Freunden und Verwandten bezüglich der Echtheit unserer Beziehung, beglaubigt von einem Friedensrichter, Dokument XY mit zertifizierter Übersetzung bitteschön… Dazu kamen noch die ganzen „Beweisstücke“, die belegen, dass wir eine legitime Beziehung führen. Das sind gemeinsame Fotos, Textnachrichten (jawohl… alle sms-, messenger-, e-mailnachrichten und Geburtstags-/Weihnachtskarten). Ich musste auch meine armen Eltern hetzen und das Schweizer Einwohneramt. Die haben sich mit meiner Geburtsurkunde zwei Wochen Zeit gelassen. Ich habe ihnen dann in einer E-Mail freundlich erklärt, warum ich’s ein wenig eilig habe. Sie haben die Urkunde dann am nächsten Tag verschickt. Kurz darauf verliess ich allerdings die Bürokratie des 21. Jahrhunderts.

Vom 18. – 22. April fand das Rowany Festival in Mittagong statt. Es ist das grösste Mittelalterfest der SCA in Australien und Neuseeland. Die Besucher campen in verschiedenen Households. Das kann eine Gruppe von Freunden ein Collegium oder wie in meinem Fall ein Baronial Household sein. Diesem wird ein Platz auf dem Areal für dessen Mitglieder zugewiesen. Die Households sind auch für die Verpflegung der Mitglieder verantwortlich. Jeder hat irgendwann mal Wasser-, Abfall-, Küchen- und Abwaschdienst. Ich reiste am Freitagmorgen (20. April) mit Ty und Alex an. Ty war der Fahrer und er hat eine Vorliebe für Animeserien und deren Titelsongs. Das haben wir dann auch im Auto gehört… Zur Ablenkung, schlug ich vor, ein paar meiner Autofahrtspiele zu spielen. Das half.

Als wir ankamen, baute ich rasch mein Zelt auf, was gar nicht so einfach ist, wenn man bereits Gewandung tragen muss. Ist sozusagen Vorschrift auf dem Gelände. Ich ging zum Campingplatz der Collegians. Dort waren dann Cailyn, Katya und alle anderen Studenten. Die waren alle dabei sich für die grosse Schlacht vorzubereiten. Man half sich gegenseitig die Rüstungen anzuziehen, schnürte alles fest, zum Teil auch mit Panzertape und packte alle Schwerter und Schilde zusammen. Schwer beladen half ich ihnen alles zum Schlachtfeld zu transportieren.  

Am Schlachtfeld verlas der Herold bereits die Regeln für die kommende Schlacht. Die Schlacht hatte etwa 100 Teilnehmer.

Die Mehrheit, etwa zwei Drittel, waren die sogenannten „Heavy fighters“. Diese tragen Plattenrüstung und führen entweder ein Schwert/Axt in einer und Schild in der anderen Hand, einen Speer, ein Zweihänder Schwert oder eine angelsächsische Version des Hellebardens.  Da dies kein Schaukampf sondern Sport ist, sind die Waffen nicht aus Metall sondern sehen aus wie japanische Kendo Schwerter (Bambus und Pinienholz).


Dann gab es noch Leute mir Rapier, eine Art Degen. Am Spitzen Ende des Falchions oder Kurzschwertes ist eine Art Gummi und beide Seiten sind natürlich stumpf.


Die dritte Gruppe sind die Fernkämpfer mit Pfeil und Bogen oder Armbrust. Die Pfeile haben runde grosse Gummibälle anstatt einer Spitze. Die Schützen haben grosse farbige Federn am Helm, damit die Heavy fighter ihnen nicht allzu heftig aufs Dach geben. Die Schützen tragen sehr viel leichtere Rüstungen, weshalb die Heavy fighters nicht einmal zuhauen müssen, um sie zu erschlagen. Stattdessen sagen sie nur: „Mylord/Mylady, you are slain.“.


Generell gilt in der Schlacht und an Turnieren die Gentlemanregel. Man anerkennt, wenn man geschlagen wurde und stellt keine falschen Behauptungen auf. Wenn die Treffer des Gegners am Bein landen, muss man  auf die Knie. Wird der Arm getroffen, lässt man entweder die Waffe oder den Schild fallen und kämpft mit einem Arm weiter. Wenn der Kopf oder Rumpf „tödlich“ getroffen wird, hat man zu sterben. Das muss man alles selbst tun, da kein Schiedsrichter dabei ist (was heisst nochmals „Self-Reported“ auf Deutsch?). Das macht bei einer Schlacht mit 100 Teilnehmern natürlich sehr viel Sinn. Ein Durchgang dauert in der Regel zwischen zwei bis fünf Minuten. Die Schlachten dauern insgesamt ein bis zwei Stunden.


Ich schaute eine halbe Stunde zu und musste dann zum Offizierszelt, da ich mich ein paar Wochen zuvor als Heroldin freiwillig gemeldet hatte. Lady Adelise trägt die Verantwortung für die Herolde und händigte uns den Campingplatzplan mit unserem Zuständigkeitsbereich und den zu verkündenden Nachrichten aus. Man trägt einen Tabad mit zwei gekreuzten Fanfaren drauf. Dann geht man von einem Haushalt zum anderen und verliest die neusten Verlautbarungen. Ich ging also zu meiner ersten Campinggruppe und rief so laut ich konnte: „Oyay, Oyay! Mylords, Myladies, these are the herold’s evening announcements.“. Dann verlas ich, wann die nächsten Turniere und Ordenssitzungen stattfinden sowie wer am falschen Ort parkiert war, etc. Nachdem ich alles verlesen habe, bedankten sich die Haushalte und boten mir Speiss und Trank an. Ich hatte leider nur etwa eine Stunde für 14 Gruppen. Deshalb konnte ich nicht länger bleiben. Habe trotzdem 1.5 Stunden für alles gebraucht.

Danach gab’s Abendessen in meinem Haushalt. Letztes Jahr campierte ich mit meiner Uni. Dort war das Essen eher bescheiden. Beim Rowany Camp war das Essen richtig gut. Kristina, die Australierin mit Schweizer Eltern, war auch da. Sie entschuldigt sich immer, dass ihr Schweizerdeutsch nicht so gut sei. Ist auch nicht leicht. Sie wuchs hier auf dem Lande auf und ihre Eltern sind vom Züribiet. Da überfordere ich meine Gesprächspartnerin mit meinem Baseldeutsch ein wenig. Trotzdem geben wir uns beide Mühe und es ist immer wieder nett, mal wieder Schweizerdeutsch zu sprechen.

Während des Abendessens war das Hauptthema, ob Dumpling Sandwiches seien. Das ging dann soweit, dass die Leute Pfannkuchen und Cornfritters als Sandwiches definieren wollten. Banausen! Das sollte nicht die einzige kulinarische Blasphemie sein. Uns kam zu Ohren, dass die Kollegien eine Bohnencocktailbar an dem Abend eröffneten. Das Ziel war es, „baked beans“ aus der Dose in alle Cocktails zu integrieren. Es gab den „Beana Colada“, den „Bean Thai“, den „Sex on the Bean“, den „Beanopolitan“… Ihr versteht das Konzept. Wir gingen alle zu den Kollegien und schauten Jackie beim Mixen zu. Jackie ist auch in der Brauers Gilde. Letztes Jahr hat er einen Chilischnaps destilliert und den Leuten ausgehändigt.
  
Ich habe ein paar der Cocktails probiert. Sie waren grauenhaft. Danach sassen wir noch etwas ums Feuer und hatten einen spontanen Bardic Circle (ein wenig sing sang). Pickles begleitete uns auf der Gitarre. Es war eine sehr schöne Nacht. Der Himmel war voller Sterne. Ich habe in der Schweiz nie so viele Sterne wie in Australien gesehen. Nicht einmal in den Alpen. Wir gingen dann weiter zum Haushalt namens Asylum, einer der grössten der Barony.  Dort traf ich ein paar bekannte Gesichter meines ersten Mittelalterfests in Australien, die Frühlingskriege (Spring Wars) in der Barony of Mordenvale (Maitland, nahe Newcastle). Dort sass ich mit Matt am Feuer. Ein Vater durch und durch. Er ist zwar erst verlobt und noch kinderlos, macht aber jetzt schon die ganze Zeit Vaterwitze. Im englischen Raum sind „Dadjokes“ Wortwitze. Bsp. Jemand sagt: „I’m cold.“. Antwort eines Dads: „Hi cold, I’m Dad.“. Ich sage immer „Stop it, Dad!“, wenn er sich wieder mal einen Vaterwitz vom Stapel lässt. Alle waren in der Stimmung, die Nacht zum Tage zu machen, da keine grossen Turniere oder Schlachten für den kommenden Tag angesagt waren. Das heisst keine, ausser das Kronturnier an dem allerdings nur etwa 14 oder 16 Leute teilnahmen. Ich blieb bis etwa Mitternacht bei dem Asylum Haushalt und ging dann in die Heia. Anscheinend sind ein paar noch gegen zwei Uhr morgens in den Tümpel Nacktbaden gegangen. Ich bin ja nicht scheu, aber das Ding sah regelrecht Blutegelverseucht aus. Das brauche ich nun wirklich nicht. Kalt war es auch. Seit wann bin ich so bequem?

Am nächsten Morgen hatte ich eine Dusche, frühstückte mit meinem Haushalt und ging zum Markt. Es war Markttag und ich wollte sehen, ob ich etwas Schönes für meine nächste Gewandung finden konnte. Das Tavernenzelt wurde für ein paar Stunden von den Händlern in einen Markt umgewandelt. Sie verkauften dort Sachbücher, über Reinactementzeugs, Stoffe, Schmuck, Duftöle, Steine, Rüstungen, Waffen (keine Schusswaffen), etc. Ich kaufte mir eine Bordüre mit keltischen Flechtmustern. Diese kann ich für mein französisches Kleid des 12. Jh. verwenden. Ich hab’s noch nicht genäht. Ist allerdings in Planung.


Danach ging ich zum Workshop „English Poetry“. Dort lernte ich, wie man Volkslieder und Gedichte im Englischen schreibt. Ich schreibe gerne Limmericks.

Nach dem Mittagessen ging das „Crown Tournament“ los. Das findet zwei Mal im Jahr statt. Der oder die Gewinnerin wird König oder Königin von Lochac (Australien und Neuseeland). Diese müssen dann zu einer bestimmten Anzahl Festivals reisen und Orden verleihen. Dafür bekommen sie gewisse Dinge wie die Flüge bezahlt und werden meistens bei anderen Mitgliedern untergebracht. Deshalb ist das auch eine beliebte Rolle in der SCA.

Ich ging mit meinem Campingstuhl, einem Apfel, meinem Met, Wasser und einem Strohhut zur Turnierarena. Habe mir einen guten Platz ergattert. Zuerst hielt das amtierende Königspaar Hof und wir mussten alle aufstehen sowie hin und wieder „HUSSAH!“ rufen. Die Kämpfer stellten sich und ihre Consorts vor und sagten uns, warum sie König resp. Königin werden möchten.






DREI Stunden lang sind die Anwärter im Zweikampf gegeneinander angetreten, bis dann endlich Kinkia Dai, ein Mongole, gewann. Wir haben nun keinen König sondern einen Khan. Unser Khan ist ein vorzüglicher Schwertkämpfer. Er war wahnsinnig schnell. Das traut man ihm gar nicht zu. Er ist etwa um die 40 und etwas klein.

Gleich im Anschluss ging ich nochmals meinen Heroldtätigkeiten nach, ass zu Abend und machte mich auf zur Kämpferauktion. Dieses Jahr gab es keine Sklavenauktion. Weil das Festival zwei Wochen später als üblich stattfand hatten die meisten Studenten Prüfungen. Diese sind normalerweise die Sklaven die man ersteigern kann (man vergibt vier Stunden Arbeit z.B. Kinder hüten, Abwaschen, Rüstung putzen, etc.). Zurück zur Kämpferauktion. Man kann einen Kämpfer ersteigern. Der oder die wird dann am nächsten Tag an den Turnieren teilnehmen. Davor spenden die SCA Mitglieder Preise, wie z.B. Gewandungen, Schmuck, Waffen oder Ähnliches. Wer den Gewinner einer Disziplin ersteigert hat, darf sich dann zuerst einen Preis aussuchen. Danach folgen die anderen Bieter entsprechend der Platzierung ihrer Kämpfer. Das Geld kommt dem Club zugute. Die Auktion ist immer lustig. Die Kämpfer stehen ausserhalb vom Tavernenzelt Schlange und warten darauf, vorgestellt zu werden. Ein paar Herolde stehen bereit, um die Kämpfer den Bietenden vorzustellen. Das läuft dann so: Der Herold winkt einen Kämpfer/in ins Tavernenzelt und bittet ihn/sie auf den Heuballen zu stehen. Im Tavernenzelt sitzen etwa 80 Leute bei Bier und Met. Der Herold muss sich erst mal Gehör verschaffen: „Oyay, oyay! Mylords, Myladies…“. Dann stellt man die Kämpfer vor und sagt, was ihre Disziplin, vergangene Errungenschaften sind und was einem sonst noch einfällt, um den Preis in die Höhe zu treiben.

Je mehr Zeit verstrich, desto mehr stieg der Alkoholgehalt, der Bietenden. Es wurde deshalb generell etwas lauter und die Gebote waren schwerer zu verstehen. Einmal fragte der Herold: „Do I hear 25?“, und ein Bieter brüllte im breitesten Boganakzent überdeckt von Gelalle: „THÖÖÖAADEEEYY!“. Das hat dann nicht einmal der Herold verstanden. Ich sagte dann zu Kristina neben mir: „That must’ve been the most Australian offer, I’ve ever heard.“. Er meinte “30”. Er wurde überboten.

Nach der Auktion spazierte ich über den Zeltplatz und stolperte über eine Party. Unsere Baroness und Baron of Rowany waren die Gastgeber. Ich plauderte mit Hinz und Kunz, ging dann aber doch nach einer Stunde schlafen. Am nächsten Morgen wachte ich sehr früh auf. Nach meiner Dusche machte ich mich auf die Suche nach Kängurus, Wombats und Wallabies. Die kommen immer in der Morgen- und Abenddämmerung raus. Ich fand ein paar Wallabies nahe beim Camp den Kollegien. Eine kleine Gruppe waren unter einer Art Nussbaum und verspeisten ihr Frühstück. Kurz darauf packte ich mein Zelt zusammen und organisierte meine Mitfahrgelegenheit zum Bahnhof. Ich verabschiedete mich von allen und stieg zu den anderen ins Auto. Dann in den Zug. Dann in einen anderen Zug. Dann in die Dusche (so zu Hause, ne).

Am Donnerstag, 25. April war Anzac Day. Das war ursprünglich der Gedenktag für die australischen und neuseeländischen Veteranen des Ersten Weltkrieges. Inzwischen ist der Feiertag ein Ehrentag für alle  Veteranen im Lande. Im Morgengrauen finden überall in Australien Gedenkfeiern statt. Später folgen dann landesweite Paraden in Dörfern und Städten zugleich. Die Veteranen und Vereine gehen in Uniform durch die Strassen und halten die Banner ihres jeweiligen Regiments hoch. Am Nachmittag darf man dann ‚two-up‘ spielen. Ein Glücksspiel, bei dem man Kopf oder Zahl wettet. Alle stehen um die Münzwerfer. Diese haben drei Münzen auf einer Art Pfanne. Wenn alle ihre Wetten platziert haben, werfen die Münzwerfer die Münzen in die Luft, wie ein Omelett. Dieses Jahr organisierten Camilla und ihre Mitbewohner ein BBQ. Wir sassen bei ihr auf der Veranda, assen Brunch und plauderten miteinander. Irgendwann machten wir uns alle auf den Weg zu einem Pub in der Nähe in dessen Garten man eine two-up Arena eingerichtet hatte. Es war vollgestopft mit Leuten, die alle sehr guter Laune waren. Ich habe einmal AUD 5.— und einmal 20 Cents gewettet. Die fünf Dollar habe ich verloren und 20 Cents gewonnen. Da das in Australien allseits beliebte „Daydrinking“ mich ausgesprochen müde macht, ging ich gegen sieben Uhr wieder nach Hause und sah mir einen der Harry Potter Filme an. David war währenddessen noch beim Catanspiel vertieft. Er spielt regelmässig mit ein paar Freunden Catan, so auch am Anzac Day. Hier noch ein paar Impressionen der two-up Arena.




Eine Woche später fand meine Abschlusszeremonie an der Uni statt. Bahja kam dafür eigens von Chicago zurück nach Sydney. Ich bestellte einen Tallah, einen Trencher und einen Schal zur Miete. Ich liess meine Absätze an den Stilettos reparieren.

Die Zeremonie fand am Donnerstag 11.30 statt. Obwohl es eine Liveübertragung online gab, glaube ich kaum, dass meine Schweizer Verwandten um vier Uhr morgens aufstanden, um mich für etwa 20 Sekunden auf der Bühne zu sehen.

Erst mal der Reihe nach. Bahja und ich holten um 10:20 unsere akademischen Gewandungen ab und registrierten uns für die Veranstaltung eine viertel Stunde später. David und Bahjas Cousine, Lisa, gesellten sich danach zu uns. Kurze Zeit später wurden wir wieder separiert und zu den anderen Absolventen geschickt. Dort sass dann auch schon Harriet. Wir plauderten ein wenig über ihre Stelle an der Uni und dann ging’s auch schon los. Die Gastrednerin schreibt sehr interessante Journal Artikel, aber leider keine guten Reden. Sie erzählte uns, was wir alles werden können, dank unseres Abschlusses… für etwa fünf Minuten: „Ihr könnt in die soziologischen Aspekte der neuen Medien erforschen, ihr könnt für eine NGO arbeiten oder eine grosse Firma,…“. Okidoke. Danach wurden wir alle der Reihe nach aufgerufen. Als ich auf die Bühne kam überreichte mir die Vizedirektorin mein Masterdiplom, fragte mich, ob ich’s toll hatte in Australien, drehte mich zu Seite, einmal lächeln für die Kamera und tschüss.







Bahja, ihre Cousine Lisa, Camilla, David und ich gingen anschliessend in einem netten Restaurant Mittagessen. Lisa arbeitet in Washington DC und wurde von uns mit Fragen über die Trump-Regierung gelöchert. Ich kann mich allerdings nicht mehr genau daran erinnern, als was sie dort gearbeitet hat. Dank Lisa weiss ich jetzt, dass die Leute in der US Politik chronisch überarbeitet und unterbezahlt sind. Das heisst, alle ausser den Politikern, die es nach oben geschafft haben.

Ich habe an dem Tag viele Komplimente für mein Kleid bekommen. Ich trug dasselbe Kleid, wie an meinem Bachelorabschluss. Das Kleid ist sehr schön und ich nehme jede Gelegenheit war, es zu tragen.

Abends sah ich Bahja wieder. Sie wollte ein paar Leute in einem Pub treffen, um den Abschluss zu feiern. Der Pub war in Surry Hills. Es war eine tolle Runde mit coolen Frauen. Wir gingen irgendwann in den zweiten Stock, wo eine Jazzband spielte. Ich hörte ihnen zu und wurde ganz entspannt. Ein tolles Gefühl. Ausserdem erinnert mich Jazz immer an meinen Vater. Er ist ein grosser Jazzliebhaber. Gegen zehn Uhr wollten die Leute wieder Heim und ich auch. Ich musste mich aktiv daran hindern, diesen Abschluss mit meinem anderen Abschluss zu vergleichen. Es war eine andere Zeit, mit anderen Menschen an einem anderen Ort. Bahja sagte, sie hatte dasselbe Problem. Ausserdem wird man an der University of Sydney manchmal wie eine Kuh Herde behandelt –schnell und unpersönlich.  David, Camilla und alle die da waren, gaben dem Tag das, was mir am meisten bedeutet: Die Möglichkeit, einen Meilenstein mit Liebsten und Freunden feiern zu können. Meine Familie und Freunde in der Schweiz waren in meinen Gedanken auch dabei.

Danach war ich wieder voll damit beschäftigt, meine Unterlagen für’s Visum zusammen zu kramen. In dem ganzen Papierchaos kam allerdings auch endlich etwas tolles Zustande. Wir verkauften das Auto und konnten, die Flugtickets für die Schweiz kaufen. Wir suchten schon länger einen Käufer. Wir brauchen das Auto nicht und die Leasinggebühren waren recht hoch. Soweit fehlt das Auto nur bei unserem Wocheneinkauf am Wochenende. Aber ich habe ja mein Einkaufswägelchen und einen Rucksack. David machte sich früher noch über das Wägelchen lustig. Ich sähe damit wie ein Grossmütterlein aus. Er hat inzwischen jedoch dessen Vorzüge auch kennen und schätzen gelernt. Der nächste Supermarkt ist 20 Minuten zu Fuss entfernt. Wir werden uns wieder ein Auto zulegen, sobald ich eine Stelle gefunden habe.

Ich ging am Dienstag darauf wie so oft wieder einmal in der Gegend spazieren und entschied mich dazu ein paar Fotos von Newtown zu machen. Ich erzähle immer von Orten in Sydney, zeige Euch allerdings nie Fotos von der eigentlichen Stadt. Also hier bitteschön.















Wart Ihr schon mal so frustriert, dass Ihr Euch einen Drucker gekauft habt? Für das Visum mussten wir häufig Formulare und sonstige Dokumente ausdrucken, signieren, einscannen und hochladen. Dafür sind wir bisher immer in den Laden für Bürobedarf gegangen (etwa 40 min. zu Fuss). Am Mittwoch, dem 9. Mai war ich den ganzen Tag wieder am Dokumente und Beweise für das Visum zusammensuchen und hochladen. Ich hatte alle nötigen Formulare, die wir ausdrucken mussten auf einen Memorystick hochgeladen, dachte ich. Als ich dann im Laden für Bürobedarf ankam, bemerkte ich, dass mir ein einziger, blöder Fötzel fehlte. Ich war so untröstlich, dass ich mir einen Drucker für AUD 60.— kaufte. David war auch dabei und bester Laune. Er war dann so lieb und trug ihn nach Hause.  Ich habe ihn dann sogleich auf unseren beiden Laptops und meinem Handy installiert. Ich hatte noch nie so viel Freude an einem Drucker. Wir haben ein Bild von Socksy (Mary Ann’s Kater) ausgedruckt und eingerahmt.


Am Tag darauf war dann auch schon der Season Launch des Rugby League Vereins. Wir trafen uns alle in der Forrest Lodge. Dort waren das Männerteam, Camilla, Gaby und ich, als Vertreterinnen des Frauenteams, Sponsoren, ehemalige Spieler, Coaches und der Clubpräsident. Ein Comedian hat den Abend gestartet, danach gab es Reden und irgendwann auch essen. Auf einer grossen Leinwand sahen wir uns nach dem Essen gemeinsam das Spiel der Balmain Tigers gegen die North Queensland Cowboys an. Die Tigers, das lokale Team, gewann, was uns alle freute. Emily, kurz Em, ist eines unserer Teammitglieder und seit kurzem die Abteilungsleiterin für Sponsoring und Events der Tigers. Deshalb war sie beim Essen nicht dabei. Da es allerdings auch ihr Geburtstag war schrieb ich ihr einen Limmerick. Sie sagte, dass sie ihn mochte. Hier kommt der Limmerick

The strongest girl of the team
Watching her play, oh what a dream!
She'd be such a winner If her workload was thinner,
But our Em is the rugby league queen.

Sie erzählt uns immer wie überarbeitet sie ist. Keine Sorge, der Limmerick war auf ihre alte Stelle bezogen. Die neue Stelle bei den Tigers sei viel besser.

Am Wochenende darauf ging ich zu Lincraft. Zuvor fand ich ein tolles Schnittmuster für einen osmanischen Caftan 15.- 17. Jahrhundert, das ich unbedingt nähen wollte. Nach zwei Stunden kam ich mit Stoffballen und Fäden wieder heraus. Ich machte mich dann sogleich ans zuschneiden und nähen. Nach etwa drei Tagen hatte ich dann meinen schönen Caftan fertig.




Am Wochenende darauf war Greg’s Geburtstag. Wir trafen uns dafür alle in Rose Pub in meiner alten Nachbarschaft in Darlington/Chippendale. David und ich machten noch beim guten alten Leroy halt. Ein dicker Kater, der an der Abercrombie Street lebt. Er war guter Laune und hat sich über seine Streicheleinheiten gefreut. Im Rose Pub sassen Greg mit Familie und Freunden schon. Ich wurde allen vorgestellt. Die Leute waren sehr nett und ich hatte eine gute Zeit. Ich kann nicht viel berichten, da wir einfach nur geplaudert haben. Gegen Mitternacht machten wir uns auf den Heimweg.



Am nächsten Tag ging ich ans Blacktown Mittelalterfest. Auf diese Weise konnte ich mein neues Kleid Gassi führen. Das Fest war etwa anderthalb Stunden mit dem Zug entfernt. Ich sah mir dort ein paar Schaukämpfe an, plauderte mit meinen Mittelalterclubmitgliedern und sah mir die Stände an. Ich weiss nicht, ob’s an der Müdigkeit oder am Fest selbst lag, aber nach zwei Stunden wollte ich wieder nach Hause. Es war ein öffentlicher Event, was bedeutet, dass es eher wie ein Jahrmarkt aufgebaut ist. Ich bin durch das MPS (Mittelalterlich Phantasie Spectaculum)  ein wenig verwöhnt. Ich stieg also in den Zug und fuhr wieder zurück nach Stanmore.

Letzte Woche war ich vor allem damit beschäftigt, meinen Blog zu schreiben… habe mir ja auch lange genug damit Zeit gelassen. Ich ging wie jeden Mittwochabend und Samstagmorgen zum Training. Wir machen viele Sprints und üben Pässe. Es macht mir wirklich Spass, weil ich jede Woche besser werde. Zumindest rede ich mir das immer wieder ein.

Am Sonntag ging ich mit Kim und Gaby in den Royal National Park. Wir wanderten auf den Marley Beach Walk. Der Wanderweg fängt im Wald an, führt an einem Steinpool vorbei und endet am Marley Beach. Wir haben zwar kein Badewetter mehr, aber Kim und Gaby gingen trotzdem eine Runde schwimmen. Ich sammelte in der Zeit ein paar Muscheln für meine Sammlung zu Hause. Ich sammle ohne Ziel. Schön müssen die Muscheln sein, das ist mein einziges Kriterium. Als wir dann zu Mittag assen, sahen wir ein paar Buckelwale in der Ferne. Sie schnaubten Wasserfontänen in die Luft und schwammen zur Oberfläche für einen Atemzug. Leider hatten wir keine guten Kameras für diese Entfernung. Ausserdem wäre es auch schwierig gewesen, im richtigen Moment abzudrücken. Schön war es trotzdem. Hier noch ein paar Fotos von der Wanderung.












Das war’s wieder einmal von mir. Ich freue mich ungemein auf meine Reise in die Schweiz, wo ich meine Familie und Freunde wiedersehe (Nur noch DREI Wochen! GAAAAH!).

G’day from far away und bis demnächst.
piranialight.

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