Sydney 27 - Bin mit meinem Aussie zusammengeszogen und habe die Wellen überlebt


Ich sitze am Esstisch im Wohnzimmer unserer neuen Wohnung. Im Hintergrund säuselt die Klimaanlage und aus meinem Handylautsprecher ertönt eine verträumte Warteschlaufenmelodie des hiesigen Internetanbieters. Es ist ein warmer wolkiger und nicht allzu feuchter Tag. Das Internetmodem kam vor ein oder zwei Stunden an, als ich gerade auf einer Yogamatte liegend meine Physioübungen machte. Als ich das Klingeln an der Türe vernahm, war ich gerade bei Minute 18 angekommen. Ich fluchte ein wenig, schaltete den Elektroschocker aus und entkabelte mich. Als ich aus der Haustüre trat, war niemand zu sehen. Nur die Zikaden schrien um die Wette. Doch da, endlich sah ich die traditionelle Pöstlermütze mit dem breiten Hutrand über einer Hecke schweben. Als der Mailman hervortrat war ich erleichtert ihn mit meinem Paket zu sehen. Endlich Breitband Internet. Er händigte mir das Paket aus wie den Fisch an einen etwas ungeduldigen Seehund. Ich hatte seit einer Woche kein Internet.

Natürlich hat der Anbieter uns unterschiedliche Informationen gegeben. Sollen wir nun anwesend für die Aufschaltung sein oder nicht? Um der Wahrheit auf die Schliche zu kommen, hänge ich nun in einer Warteschleife. Mir gehen noch andere Dinge durch den Kopf. Ich habe ein Bewerbungsgespräch am Nachmittag nahe des Schweizer Konsulats und nicht zu weit vom Bondi Beach. Es für eine Communications Coordinator Stelle in einem Kurszentrum für Buchhalter und Anwälte.

Seit ich dem letzten Blogeintrag sind zweieinhalb Monate vergangen. Der Grund dafür ist, dass die Weihnachtszeit immer etwas emotional stressig für mich ist. Während dem die Australier sich im Sommer wegen der Gefahren möglicher Buschfeuer sorgen, fürchte ich mich in derselben Zeit vor einem weiteren Kulturschock. Ich bin auf dem Gebiet inzwischen ein alter Hase und kann deshalb mit Freude verkünden, dass ich in dieser Feiertagszeit keinen Kulturschock hatte. Blogeinträge schreiben, zwingt mich zu reflektieren und das kann recht emotional sein. Deshalb die lange Funktstille.

Aber erst einmal alles der Reihe nach. Der letzte Blog endete Mitte November.

Im November endete der Australian Football League Meisterschaft und die Giants haben es nicht geschafft. Stattdessen hat Richmond gewonnen. Wir haben sogar den Pokal gesehen. Es gibt hier die Tradition, dass der Pokal durch die verschiedenen Pubs, die den Club unterstützen, macht. Zufälligerweise war einer dieser Pub bei David um die Ecke. Ein kleiner unscheinbarer Pub, der einem Boxchampion aus den 80ern gehört. Wir gingen dort ab und zu hin um eine Runde Billard zu spielen. Wie sich herausstellt habe ich mehr Glück als Verstand in dem Spiel, was mich aber trotzdem nicht daran hindert, mehrheitlich als Gewinnerin hervor zu gehen. Eines schönen Abends im November waren wir auch wieder da und David bemerkte einen kleinen A5 Flyer, der über die kommende Pokaltour informierte. Als eingefleischter Footy Fan, liess er sich das natürlich nicht entgehen. Ich kam auch mit, weil ich gerne Neues erlebe (versteht sich von selbst). Wir posierten mit dem Pokal. David musste seine Zunge hüten vor den gegnerischen Fans, konnte sich ein paar Kommentare allerdings nicht verkneifen.



In den kommenden Tagen ging ich oft spazieren, um die Jacarandas noch während der letzten Wochen ihrer Blütezeit sehen zu können. Ich fing an Benny, den Hund, mitzunehmen. Ich hatte ja immer Zeit und ich wusste, dass ihm das gefallen würde.

Mein zweitliebste Physiker - den ersten Platz belegt mein Grossvater - und Mittelalterclubmitglied Dr. Paddy Neumann kam von Adelaide nach Sydney für einen Astrophysiker Kongress an meiner Alma Mater (University of Sydney). Er hat seine Doktorarbeit über einen Plasmaantrieb für Raketen, der Weltraumschrott verwendet geschrieben. Jetzt hat er Investoren und eine eigene Firma in Adelaide, um diesen Antrieb herzustellen. Hier noch ein Video, in dem er seinen Antrieb vorstellt.


Am Kongress gab es eine öffentliche Vorlesung zum Thema „The search for life on Mars: An early Earth perspective” – Die Suche nach Leben auf dem Mars: eine frühe Erden Perspektive. Dabei beschrieb der Redner, Prof. Martin von Kranendook, wie man auf der Erde frühe Lebensformen erforscht und welche Schlüsse man daraus ziehen kann für die Marsforschung. Paddy hat in der Mittelalter Facebookgruppe darüber geschrieben und meinte, wir sollen alle vorbeikommen. Gesagt getan. David und ich gingen hin, lernten etwas über Geysire und dass diese sehr wahrscheinlich für die Entstehung von Mikroorganismen verantwortlich sind. Danach ging David nach Hause und ein paar Leute vom Mittelalterklub und ich gingen in die Forrest Lodge für ein Abendessen und um mit Paddy zu plaudern, bevor er wieder nach Adelaide zurückkehrte.

Er hat fast alle seiner Mitarbeiter im Mittelalterklub rekrutiert. So hätte ich mich fast auch auf einen Job bei ihm beworben. Sie brauchten eine deutschsprachige Managerin für den Einkauf von Teilen. Deutschland verkaufe scheinbar die richtigen Produkte. Dafür hätte ich allerdings nach Adelaide ziehen müssen. Ich sagte Paddy, dass ich gerne von Sydney aus mitarbeiten würde, wenn er Interesse hat. Er meinte, dass sie die Suche momentan auf Eis gelegt haben. Wäre schon kuhl für ein australisches Raumfahrtunternehmen zu arbeiten.

Wenige Tage später beschloss ich David zu einem Badminton Match herauszufordern. Nachdem ich monatelang brav jeden Morgen meine Übungen und Elektroschocktherapie an den Hüften ausführte, war ich nun schmerzfrei. Die Übungen mache ich immer noch, aber dazu später mehr. Wir spielten drei Runden und er hat mich besiegt. Jedoch war die Tatsache, dass ich überhaupt schmerzfrei Sport treiben konnte, schon Grund genug, guter Laune zu sein.

Irgendwann um dieselbe Zeit, vielleicht sogar am selben Wochenende, beschlossen David und ich mit dem Auto loszufahren und einen schönen Strand nördlich von Sydney zu suchen. Wir fuhren über viele grüne Hügel mit Gummibäumen und Palmen, schönen Häusern mit Booten in der Einfahrt und Surfbrettern auf der Veranda. Hier und da flogen ein paar Kakadus von Laternenmast zu Baum und umgekehrt. Wir beschlossen an den äussersten Rand einer Landzunge zu fahren. Dort erreichen wir Palm Beach. Dieser Strand ist uns nicht sehr geläufig in Europa, aber hier ist er der Schau Ort der Seifenoper „Home and Away“. In der Serie heisst der Strand „Summer Bay“. Ein schönes Fleckchen. Wir stiegen aus, holten und Eiscreme und spazierten etwas am Strand. Ich fand ein paar schöne Muscheln. Es war damals noch etwas zu frisch zum Schwimmen. Wahrscheinlich nicht zu frisch für Schweizer. Aber ich bin inzwischen verweichlicht und habe keine Lust bei 22 °C schwimmen zu gehen. Der Sand war fast orangefarben. Hinter uns befanden sich hübsche Villen in den begrünten Hügel gebaut. Am anderen Ende des Strandes war der Leuchtturm auf einer Klippe.




Ich weiss nicht genau, was wir nachher gemacht haben. Nur dass wir auf der Heimfahrt an diesen Schildern vorbei fuhren. Das machen manche Leute hier. Sie platzieren Schilder am Strassenrand, auf denen sie Leuten zum Geburtstag gratulieren. Da steht dann so etwas wie „Happy 13th Birthday Stephany“. Wir dachten uns dann Hintergrundgeschichten für die Ehrenkinder und –Leute aus. Z.B. war Stephany nicht sehr glücklich an ihrem 13. Geburtstag, weil sie das iPhone X wollte und stattdessen nur ein iPad bekam.

Wir haben so einige kleine Spiele wie diese für Autofahrten. Mir wird jetzt gerade klar, dass das wahrscheinlich daran liegt, dass man in Australien grössere Distanzen zurücklegt und einfach mehr Unterhaltung braucht. Wir haben ein anderes Spiel gemeinsam erfunden. Die Nummernschilder hier bestehen aus normalerweise drei Buchstaben, die weder mit dem Staat noch dem Herkunftsort zu tun haben und ein paar Ziffern. Wenn wir im Stau stehen, zeigt eine/r von uns auf ein Nummernschild vor uns und gibt ein Thema vor.

Z.B. Kürzel: DWE
Thema: Wird morgen die Schlagzeile des Daily Telegraphs sein.
Antwort: Donald Trump Wirft Enten

Kann man in Europa leider nicht so gut spielen, da die Buchstaben für Orte stehen.

Meine Freundin Bahja lud mich für eine Wanderung am kommenden Wochenende ein. Sie fragte mich seit Monaten und die Routen sahen immer fabelhaft aus. Ich musste wegen der Hüften immer absagen. Da das nun aber kein Problem mehr war, freute ich  mich ungemein.

Wir trafen uns bei der Central Station und nahmen den Zug nach Cronulla, von wo aus wir auf die Fähre nach Bundeena wechselten. Es ist eine wunderschöne Gegend. Sie liegt am Rand des Royal National Park. Das Dorf Bundeena ist äusserst idyllisch. Die Wohnhäuser haben direkten Zugang zu den Stränden. Wir gingen zur anderen Seite des Dorfs zum Jibbon Beach. Ein kleiner aber feiner Strand in einer Bucht. Wir folgten dem Strand Richtung Klippen. Auf der einen Seite war das Meer und auf der anderen Seiten die allgegenwärtigen Gummibäume. Wir passierten Leute, die ihre Hunde Gassi führten, Kinder die im Meer spielten, Angler die in ihren Klappstühlen hockten und auf ein Zucken der Angel warteten. Es waren nur wenige Leute da im Vergleich zu den riesigen Stadtstränden, wie Maroubra, Coogee, Bronte und Bondi.

Am anderen Ende des Strands war der Eingang zum Wald. Es war nur ein kurzer Weg durch etwas Gestrüpp und schon kamen wir zum naturbelassenen Shelley Beach. Kein Sand aber dafür unglaublich viele Muscheln und schöne Steinformationen. Nachdem wir ein paar Fotos geschossen haben, machte ich mich daran meine Muschelsammlung zu vergrössern. Ich habe damit in … ich weiss gar nicht mehr wann ich damit angefangen habe. Wahrscheinlich irgendwo in Sydney. Inzwischen habe ich aber auch Muscheln von Tasmanien, Ulladulla und weiteren Stränden in der Gegend rund herum Sydney. 

Die anderen Mädels hatten zum Teil richtige Spiegelreflexkameras dabei und waren fleissig am Makroaufnahmen von kleinen Steinpools machen. In denen leben alle möglichen kleinen Tierchen und Pflanzen. Deshalb sollte man darin nicht seine Füsse baden. Auch wenn sie die perfekte Grösse haben. Wir krachselten etwas auf den Felsen herum. Ich wollte sehen, ob man auf dem Weg auch wieder zurück zum Jibbon Beach gelangen könnte. Hätte auch fast geklappt, wäre da nicht ein etwas zu schmaler Steinvorsprung mit starkem Wellengang etwa 100 Meter vor Jibbon Beach gewesen. Wir kehrten wieder um. Als wir endlich wieder am Jibbon Beach waren, assen wir zu Mittag und ich ging ein wenig schwimmen um abzukühlen. Es war etwa 28°C. Habe keinen Sonnenbrand eingefangen. Ich werde langsam richtig gut darin oder „Sunsmart“, wie es die Australier nennen. Meine Haut mag die viele Sonnencreme nicht. Die Alternativen sind allerdings Sonnenbrände und Hautkrebs, weshalb ich halt pickliger bin im Sommer. Schön, wenn man weniger eitel wird mit der Zeit.








Nach meinem Schwumm musste ich allerdings schnell zur Fähre. Die kam nur alle zwei Stunden und ich war bei Camilla zum Team BBQ eingeladen. Ich kaufte mir ein Eis und las in meinem Buch währendem ich auf die Fähre wartete. Die kam nach etwa 20 Minuten und ist viel kleiner als die, die nach Manly geht. Sie war vielleicht doppelt so gross wie unsere Basler Fähren. Die Überfahrt zurück nach Cronulla dauerte etwa dreissig Minuten und dann weiter mit dem Zug nach Redfern. Das gehört zum sogenannten „Innerwest“ und ist der Ort an dem ich bisher gelebt habe. Annandale, Surry Hills, Darlington und nun auch Stanmore sind alles Suburbs des Innerwests. Zu Hause in Darlington angekommen, konnte ich endlich Duschen. Schweiss, Sonnencrème und Meerwasser ist ‘ne tolle Kombination.

Ich machte mich auf den Weg zu Camilla. Dort angekommen waren ein paar schon dabei, ein Festmahl zu zubereiten. Ich half hier und da ein wenig mit, war aber ziemlich müde und faulenzte viel auf dem Sofa herum. Wir hatten viel zu viel Essen und gingen irgendwann über zu Trinkspielen… Das Schöne an einem internationalen Freundeskreis sind die verschiedenen Bräuche und Sitten, die man mitbekommt. Kim, eine Südafrikanerin, stellte uns ihr Trinkspiel vor, welches aus einem Pferderennen bestand. Die Karten waren unterteilt in Farben und man musste auf eine „wetten“. Es war recht kompliziert und meine Erinnerungen sind etwas schleierhaft. Wir kamen in Fahrt und keine Pferde kamen zu Schaden. Danach stellte Camilla uns ein norwegisches Trinkspiel vor, bei dem ich sehr schlecht war. Weshalb ich dann aufgab. Wollte keine unangenehmen Folgen. Der Abend war super. Leider konnte ich keine Schweizer Trinkspiele vorstellen, da ich ja schon ausgeschieden war. Kim hat uns auch ein leckeres alkoholisches Dessert gezaubert. Vanilleeis, Rum und etwas Zimt. Das sei ein sehr beliebtes Gericht in ihrer Familie. Gegen elf nahm ich den Bus nach Hause.

Am nächsten Tag war es sehr warm, weshalb ich beschloss wieder einmal schwimmen zu gehen. Waren ja schon wieder 24 Stunden vergangen, seit meinem letzten Schwumm. Als ich in Coogee ankam, merkte ich, dass ich keinen Wickelfisch dabei hatte. Für alle, die sich wundern, was ein Wickelfisch ist; Das ist eine spezielle wasserdichte Tasche für Wertsachen, die man mit ins Meer/Fluss/See nehmen kann. Ich ging in verschiedene Läden in der Gegend und wurde dann in einem Taucherladen fündig. Fröhlich ging ich ins Meer und etwa eine halbe Stunde später war ich wieder draussen. Ich öffnete die Tasche und alles war nass. Mein Natel ging nicht mehr an, mein Pass, Portemonnaie und alles andere waren durchnässt. Ich zog rasch ein Kleid über und stapfte zum Taucherladen. Nach einer halben Stunde Diskutieren, hat man sich dann bei mir endlich entschuldigt und mir das Geld zurückgegeben. Das Natel könne man mir allerdings nicht ersetzen. David war sehr lieb und hat mir die Hälfte an einem neuen Handy bezahlt.

In der Woche darauf (2. Dezemberwoche, falls ihr den Überblick verloren habt) hatte mein Mittelalterclub der Uni ein Abendessen mit freiwilligem Wichteln geplant. Obergrenze war $15. Ich ging zu Kmart und kaufte Alatar, meinem zugeteilten Beschenkten, eine Lichterkette mit Kakteenmotiv, eine Schleife für sein langes, wallendes Haar (oder seinen Bart) und einen „Spaceviewer“ oder zu Deutsch Plastiskop. Ein Ding das wie ein Fernglas aussieht, aber eine Reihe von Bildern zeigt. Alatar war nicht da. Dennoch wurde ich mit Harry Potter Untersetzern beschenkt. Die machen sich ausgezeichnet in der neuen Wohnung.

Wir waren wie immer in der Forrest Lodge für das Abendessen. Das gab mir Gelegenheit noch ein letztes Mal vor dem neuen Jahr mit meinen Mittelalterleuten zu plaudern. Conrad schenkte seinem Wichtelkind die Kryptowährung Ethereum im Wert von $15. Das lenkte natürlich das Thema auf Kryptowährungen und Bitcoins ungeheuren Wachstum.

Ich habe ein oder zwei Wochen später selbst ein wenig Geld in Bitcoin „angelegt“. Wir reden hier von $55. Leider habe ich zur Hochphase investiert und nun ist mein Bruchteil eines Bitcoins noch $25 wert. Ich weiss schon, warum ich nie Aktien oder Obligationen gekauft habe. Da es unter der Woche war, ging ich recht früh wieder nach Hause.

Ein anderes Problem bahnte sich in derselben Zeit an. Wie ich bereits erwähnte ging ich mit Benny jeden Tag Gassi. Da ich allerdings noch nie eine Hundehalterin war, wusste ich nicht, dass man im Sommer Massnahmen gegen Flöhe ergreifen muss. Binnen einer Woche waren die Flöhe überall. Sie sprangen auf meinem Bett herum, auf mir, wenn ich auf dem Sofa Gitarre spielte und in allen anderen Schlafzimmern. Ich weiss, dass er nicht mein Hund ist, aber ich verbrachte ja viel Zeit mit ihm, deshalb war es nur logisch, dass ich die Sache in die Hand nahm. Wir putzten das ganze Haus äusserst gründlich, wuschen alle Kissen, Sofa und Bettbezüge, reinigten den Garten und und und. Am Ende setzten wir dann Antiflospraybomben ein. Danach hatte Benny immer noch Flöhe für ein paar Tage. Dieses Mal habe ich ihn täglich mehrfach entfloht, bis die Biester endlich weg waren. Hartnäckige Dinger.

Ein paar Tage später lernte ich, dass man mindestens zwei Tage nach einem Sturm oder Gewitter warten muss, bis es sicher ist im Meer zu schwimmen. Ich ging wieder nach Coogee einen Tag nach einem starken Gewitter. Es war warm aber nicht sonnig. Die Wellen waren recht gross, aber nicht gross genug, um mich abzuschrecken. Ich ging also ins Meer schwamm ein wenig als plötzlich sehr hohe Wellen auf mich zukamen. Sie brachen bei etwa drei Meter Höhe. Ich tauchte unter, damit ich nicht die volle Wucht abkriegte. Die Welle wirbelte mich herum. Ich brauchte eine Weile bis ich den Boden wieder fühlte. Ich stiess mich ab. Kam an die Oberfläche und rang nach Luft. Da sah ich schon die zweite hohe Welle brechen. Ich versuchte so viel Luft wie möglich zu holen, bevor ich wieder unter tauchte. Die Wucht der brechenden Welle liess mich wieder den Boden verlieren. Mir ging die Luft aus und ich wurde etwas panisch. Kam wieder an die Oberfläche… noch eine hohe Welle. Ich tauchte nochmals unter, verlor die Orientierung und Wasser drang in meine Nase, Ohren und Mund. Es wurde ruhiger und ich konnte den Boden finden. Stiess mich ab und gelangte an die Oberfläche. Endlich keine weitere Welle. Ich hustete Wasser aus und versuchte gleichzeitig Luft zu bekommen und an den Strand zu schwimmen. Ich war nicht die einzige, die atemlos raus wollte. Als ich zu meinen Sachen gelangte, wollte ich mich nur hinlegen, mich etwas ausruhen. Keine Chance. Hinlegen machte das Atmen schwer und mein Kopf hämmerte vom ganzen Meerwasser in meiner Stirnhöhle. So packte ich meine Sachen, ging unter die Dusche und nahm einen Uber nach Hause.

Lektion gelernt. Ich bin seither wieder im Meer gewesen, traue mich aber nicht mehr raus zu schwimmen, selbst bei mittlerem Wellengang. Irgendwann werde ich mich sicher wieder mit den Wellen anfreunden können.

In einer anderen Gelegenheit hatte ich erfreulichere Neuigkeiten. David und ich waren auf der Suche nach Wohnungen. Die Besichtigungen vor Weihnachten waren allerdings nicht sehr ergiebig. Da wir beide allerdings so viel Geld wie möglich zur Verfügung haben wollten für die Kaution, Möbel, Haushaltsgegenstände, Elektronikgeräte, usw. Ich habe meine Steuerrückerstattung eingereicht und eine kleine aber feine Summe zurückbekommen. Damit haben wir die erste Miete bezahlt. Dazu muss gesagt werden, dass die Steuern in Australien direkt vom Lohn abgezogen werden. Damit der Staat auch garantiert zu seiner Knete kommt, ziehen sie einem für gewöhnlich etwas mehr ab als nötig. Das kann man dann nach dem Ende des Buchhaltungsjahres (von Juli bis Juni) zurückfordern. Ich habe auch gleich David dazu angestiftet seine Rückerstattung auszufüllen. Ich weiss, das ist jetzt gar sehr viel langweiliges, administratives Zeug, aber diese Rückerstattung hat mich echt glücklich gemacht.

Bald darauf war dann das Rowany Yule Festival. Rowany ist die Barony im Mittelalterklub, die den Grossteil des Staates New South Wales repräsentiert. Da es schon langsam warm wurde, habe ich mir eine römische Pletos Tunika genäht. Schön luftig und angenehm.



Am Freitag vor dem Festival war ich bei Bahjas Abschiedsparty und Kristinas Geburtstagsparty eingeladen. Bahja ging die Woche darauf nach Chicago zurück. Sie wird im Mai nochmals nach Sydney für die Graduation Ceremony kommen. Wir trafen uns in einem Pub in Surry Hills und wieder redeten alle über Bitcoins. Ich machte meine Scherze darüber, dass die Währung bald wieder rapide an Wert verlieren wird. War ja gar nicht so falsch am Ende. Gegen neun ging ich zu Kristinas Party, die praktischerweise auch in Surry Hills in einer Bar feierte. Ausser einem anderen Mädel, waren alle anderen Gäste Pärchen. Das hat mich natürlich nicht weiter gestört. Ich ging um etwa Mitternacht nach Hause.

Am nächsten Morgen wollte ich mich für das Festival vorbereiten und merkte, dass mein Portemonnaie weg war. Es wurde mir letzte Nacht geklaut. Ich habe überall zu Hause gesucht. Bin den Weg zur Zugstation abgelaufen, rief im Pub an. Die dachten, sie hätten’s gefunden. Ich ging hin; War dann doch nicht meins. Das Festival war also abgesagt. Schade drum. Ich rief überall an oder benutzte wo möglich Apps, um alle Karten zu sperren. Es kam glücklicherweise nichts abhanden ausser $30 Bargeld.  Ihr kennt mich ja. Ich habe mich für kurze Zeit darüber geärgert und mich dann wieder eingekriegt.

Abends schaute ich Achtung Fertig Charlie mit David. Habe die DVD bei Amazon bestellt. Es war gar nicht so leicht eine mit englischen Untertiteln zu finden. Kurz gesagt, er fand ihn schlecht. Da ist er wohl in guter Gesellschaft. Ich bin gelegentlich auf der Suche nach deutschsprachigen Filmen mit englischen Untertiteln. Das umgekehrte hat mir beim Englisch und Französisch Lernen geholfen. David soll ja mal irgendwann Deutsch sprechen können.

Am Mittwoch darauf, versprach ich Bahja zum Flughafen zu begleiten. Ich ging zu ihrer Studentenpension in Burwood und half ihr mit den Koffern. Sie war recht nervös. Fliegen liegt ihr nicht so und schon gar nicht alleine bis nach Chicago. Am Flughafen angekommen checkten wir alles ein und holten uns Kaffee. Sie erzählte mir davon, wie sie ihren Vater überraschen wolle und dass sie nach Washington State ziehen will, damit sie mehr wandern kann. Sie war dann noch so nett, meine fiktive Pressemitteilung zu lesen, die ich für ein Bewerbungsgespräch vorbereitet habe. Kurz darauf, verabschiedeten wir uns voneinander. Eine Woche später war dann ein sehr herzerwärmendes Video von ihr auf Facebook, wie sie ihren Vater überraschte.

Als ich auf dem Weg zur U-Bahnstation war, sah ich, dass mein ehemaliger Kommilitone David, aus der Schweiz mir schrieb. Er sässe im Pub neben meinem Haus. Er hatte mich ein paar Tage zuvor kontaktiert, um mir zu sagen, dass er in Australien ist und bald ein paar Bewerbungsgespräche in der Gegend hätte. Ich sagte ihn, dass wir uns sehr gerne treffen können und wenn er einen Schlafplatz bräuchte, soll er es mich wissen lassen. Dieser Schlawiner ist einfach so aufgetaucht. Natürlich habe ich ihm gesagt, dass ich mich auf den Weg mache. Etwa 40 Minuten später sass ich mit ihm im Pub und wir plauderten über alte und neue Zeiten. Es war sehr surreal und auch schön eine Unterhaltung auf Schweizerdeutsch von Angesicht zu Angesicht zu führen.

Da ich so nah neben dem Pub wohnte, fragte ich ihn, ob er denn nicht bei mir zu Hause Abend essen möchte. Ich kochte Lachs und Gemüse. Er erzählte von seinem Bewerbungsgesprächen und dass er sich schon für eine Stelle entschieden hat. Der Glückliche. Er ist Doppelbürger (Australier und Schweizer) und Polymechaniker (sehr beliebt). Irgendwann liess er dann auch durchblicken, dass er einen Schlafplatz brauchte. Als Bezahlung brachte er einen Sack voller leckerer Passionsfrüchte und Zucchini von der Farm seiner Eltern in Coffs Harbour (ca. 5 Stunden von Sydney entfernt). Ich fragte meine Mitbewohnerinnen und er bekam das Sofa. Seine Zimmergenossen waren Benny und manchmal Bruce (der Kater). Ich musste mich dann für das Bewerbungsgespräch vorbereiten und Bahjas Verbesserungsvorschläge für die Pressemitteilung einbauen. Schweizer Dave und ich schauten uns dann noch Trainspotting vor dem Schlafen gehen an.

Am nächsten Morgen zog ich meine besten Büroklamotten an. Ich war unglaublich nervös. Ich habe sogar auf den Kaffee verzichtet. Die ganze Busfahrt über hatte ich Herzrasen. Die Leute waren nett, die Stelle habe ich leider nicht bekommen. Sie dachten allen Ernstes, ich kenne mich nicht mit Sozialen Medien aus, weil ich das nicht explizit im Interview nochmals erwähnt habe. Ich habe einen Master in Digital Communication and Culture…

Da die Firma neben dem Hyde Park war, traf ich Aussie David (meinen Liebsten) und seinen Freund und Arbeitskollegen Greg dort. Wir sprachen über das Interview und Gregs drittes Kind, dass frisch auf die Welt kam. Auf dem Weg nach Hause schrieb ich dem Schweizer Dave, ob er mit mir nach Coogee zum Schwimmen gehen wollte. Er war dabei und wir trafen uns bei mir zu Hause. Auf der Fahrt dorthin versuchte ich das Nurmmernschilder-Kürzelspiel  mit ihm zu spielen, aber er musste sich aufs „Nichtverfahren“ konzentrieren. Er war ja bisher selten in Sydney.

Wir schwammen ein wenig und brutzelten in der Sonne. Es war nur ein kurzer Spass, da die Wellen etwas hoch waren und ich mir etwas unwohl wurde. Wir fuhren wieder zurück zum Innerwest (Coogee ist Teil der Eastern Suburbs) und er lud mich in der Nähe des Aussie David’s ab. Der Schweizer David war ganz froh, dass er diese Nacht in einem Bett statt einem Sofa schlafen durfte. Habe ihm meins überlassen, da ich beim Aussie David schlafen würde. Der war im Pub, wo wir uns mit dem AFL Pokal haben ablichten lassen. Er schaute sich ein Cricket Match an. Wir spielten danach eine Runde Billard und ich gewann wieder.

Am nächsten Tag führte ich Benny und Schweizer Dave Gassi und zeigte ihnen den Uni Campus. Abends gingen wir dann im Fajita Sisters Essen. Beide Davids waren anwesend. Ich fand’s toll, dass der Aussie David mal einen anderen Schweizer kennenlernen kann. Sonst hat er ja immer nur mich um sich. Und ob ICH nun die beste Repräsentantin für Schweizer Kultur bin, wage ich zu bezweifeln. Aussie David verabschiedete sich irgendwann, weil er am Samstag wieder arbeiten musste. Schweizer Dave und ich gingen ins Kelly’s zum Karaoke singen. Jesses, habe ich mich blamiert. Ich wollte Mr. Sandman von the Chordettes singen. Das habe ich zu Hause oft gemacht. Aber in einem Pub ist es irgendwie Fehl am Platz und die Karaokeversion war höher… Zum Glück sind wir kurz danach gegangen.

Am nächsten Tag ging David wieder nach Coffs Harbour. Ich verabschiedete ihn und ging zum ersten Preseason Training für das Rugby League Team. Wir trafen uns im Uni High Performance Centre. Es ist ein kleines Fitness Zentrum mit Gewichten und wenig Geräten. Man hat uns vermessen, geprüft und einen Trainingsplan ausgehändigt. Viele Kniebeugen, Banddrücken und sonst wie Gewichte heben. Wir grunzten alle wie die Ferkel vor Anstrengung. Hatten ja seit Monaten kein anständiges Training mehr. Unsere tomatenroten Köpfe beruhigten sich erst beim Ausdehnen. Dank meinen morgendlichen Übungen ist das natürlich meine Spezialität. Ich kann schon fast einen Spagat machen.

Abends war ich zu Ingunns Wohnungseinweihung eingeladen. Sie lebt in einer WG in Coogee. Ich zog mir ein nettes Sommerkleid an und nahm stieg in den Bus. Wie immer sind Busfahrten in Sydney hochspannend. Vor mir sass ein Pärchen, welches sich flüsternd und zischend stritt. Als ob man das nicht mitkriegt. Ich hatte Kopfhörer auf und hab’s mitbekommen. Es ging wohl um einen Rucksack mit wertvollem Inhalt. Einmal hatte sie ihn. Dann hat er ihn an sich gerissen und den Platz gewechselt. Irgendwann rupfte sie den Rucksack unter seinen Armen weg, stieg schnell aus dem Bus aus und liess ihn sitzen. Ein paar Stationen später stiegen viele fein gekleidete Herrschaften ein. Es war die Busstation neben der Pferderennstrecke. Die Damen trugen skandalös, kurze Sommerkleidchen und sehr abstrakte Hüte. Die Herren waren im Sportsacko unterwegs. Sie waren alle um 7 Uhr abends schon recht angeschickert. Ich bewunderte den Mut der Damen, die mit ihren Stilettos durch den Bus wankten. Der Fahrstil der Sydney Busfahrer kann als sch(n)ittig beschrieben werden. Was mir nur noch mehr Respekt für die Pferderennbesucherinnen einflösste.

Bei Ingunn zu Hause war ich eine der ersten Gäste. Nach und nach trudelten alle ein und wir sassen im Wohnzimmer mit einem einzigen Ventilator. So schön, kuschlig, warm. Ich lernte das Tek9 wohl der Hip Hop Musiker für meinen Geschmack wäre. Das hatte mir Aaron empfohlen, ein eingefleischter Fan. Ansonsten ist er ganz in Ordnung.

Um neun Uhr ging ich wieder, da ich noch zu David wollte. Ich hatte leider meinen Bus zurück verpasst und bestellte stattdessen einen Uber. Ich stand vor einem Pub als ich meine nicht vorhandenen Busverbindungen nachsehen wollte. Als ich zwei Schritte weiter ging, fingen zwei Volltrunkene eine Schlägerei genau dort an, wo ich vor wenigen Sekunden noch stand. Ich ging schnell weiter, um einen besseren Standort für mich zu finden. Etwa 50 Meter weiter bestellte ich dann den Uber. Wartete eine Weile. Irgendwann kam ein anderer Betrunkener, ohne T-Shirt und brachte mir ein Ständchen. Er sang „Congratulations“ von Post Malone. Dann fragte er mich ganz begeistert, ob ich denn wisse, welcher Song das ist. Ich bejahte, er gab mir ein High-Five und entschwand in die Dunkelheit der Nacht. Der Uber kam und brachte mich zu David.

Am nächsten Tag standen wir etwas früher auf, damit wir gemütlich nach Bundeena fahren konnten. Ich wollte David den schönen Jibbon Beach zeigen. Es war das erste Mal, dass ich mit dem Auto dahin fuhr. Die Strecke führt mitten durch den Royal National Park. Dabei passiert man auch einen Fluss an welchem ein grosses Schild mit „BOAT HIRE“ (Bootsvermietung) stand. Wir beschlossen, dass das ideal für Davids Geburtstag am 2. Jänner wäre.
In Bundeena angekommen war er begeistert von dem schönen, kleinen Dorf und Jibbon Beach. Wir machten einen kleinen Abstecher nach Shelley Beach. Ich war schon recht stolz, dass ich einem gebürtigen Sydney-Sider noch neue Dinge in der Umgebung zeigen konnte.






Die kommenden Wochen war ich mit Weihnachts-, Neujahr- und Geburtstagsvorbereitungen beschäftigt. Ich wollte David zum Geburtstag eine Wikingertunika nähen. Mit Schrecken musste ich feststellen, dass meine Nähmaschine wieder verreckt ist. Ich klagte David mein Leid und er meinte, er kenne da jemanden durch seine Mutter, der mir die Maschine sogar gratis reparieren könnte. Ich war beruhigt und widmete mich schon dem nächsten Programmpunkt. Der Fischkochwettkampf.

David’s Familie lud mich zum Weihnachtsessen ein. Es ist üblich ein Gericht für das Fest mitzubringen. David und ich waren für den Fisch zuständig. Um das richtige Rezept zu finden, beschlossen wir einen Wettkampf daraus zu machen. Wir nahmen einen Snapper und einen Dori Fisch und durften jeweils zwei Marinadenrezepte wählen. David hat’s mit den Zitronen arg übertrieben und so gewann mein Rezept mit dem Snapper und einem Kräuterpesto bestehend aus Olivenöl, Basilikum, Dill, Knoblauch, Walnuss und noch irgendwas. Fügt noch etwas Parmesan hinzu, und benutzt eine andere Nuss (Pinie oder so), dann wird’s perfekt. Hier noch ein paar Fotos von unserem Cook-off.



In Australien gibt’s keine Brunsli, Schänggeli oder Mailänderli, weshalb ich dachte: „Back, ich meine Gutzis halt selbst“. Ich fand ein paar Rezepte online und legte los. Es war recht viel Arbeit. Ich gönnte mir eine kleine Verschnaufpause, währendem die Mailänderli im Ofen waren. Sie sind mir alle angebrannt… Dafür waren die Schänggeli und Brunsli makellos und köstlich. Alle Mitbewohner sowie die Urquharts (David’s Verwandtschaft) können das bestätigen.



Am Morgen des 24. Dezembers mussten wir früh aus den Federn. Wir wollten den Fisch fürs Weihnachtsessen im Fischmarkt kaufen. Der Markt ist sehr beliebt in Sydney, ausserdem sind Fisch, Crevetten, etc. sehr typisch für ein australisches Weihnachtsessen. Gegen 8 Uhr waren wir dort. Es war voll, aber zivilisiert. Wir kamen zu unserem Snapper und etwa 3 Kg Crevetten. David ist eines von sieben Kindern und vier seiner Geschwister haben Partner und Kinder. Das heisst, dass Weihnachten bei Urquharts mit etwa 25 Leuten gefeiert wird. Die Crevetten waren für Davids Vater, der daraus sein Spezialgericht für die Familie zubereitete.

Wir fuhren danach zu Davids Eltern, um dieselben Crevetten auszuliefern. David benahm sich äusserst komisch. Er wollte nicht vorher anrufen und nicht ins Haus gehen sondern die Crevetten im Tiefkühler in der Garage abladen. Da hat er die Rechnung allerdings ohne seine Mutter gemacht. Die war im Garten als wir ankamen und begrüsste uns freudig überrascht. Ich war froh, sie zu sehen, da sie ja angeblich  jemanden kennt, der meine Nähmaschine gratis reparieren kann. David versuchte sie einzuweihen, hatte aber keine Chance. Da hatte ich mich schon bei ihr bedankt. Resigniert schaute er mich an und sagte, ich hätte alles ruiniert. Seine Mutter und ich waren beide gleichermassen verwirrt. Er rückte endlich mit der Sprache heraus. Niemand würde meine Nähmaschine reparieren. Er hat mir eine nigel nagel neue Maschine gekauft. Es hätte eine Überraschung werden sollen. Ich habe mich trotzdem wie ein Honigkuchenpferd gefreut.

Kurz darauf war auch schon Heiligabend. Camilla lud Ingunn, Aaron und mich zu sich für ein Heiligabendessen ein. Ich ging noch kurz vorher zu Paddy’s Market in Chinatown, um Geschenke zu holen. Für’s Protokol, ich bin nicht geizig, nur knapp bei Kasse. Ich kaufte Ingunn ein Armkettchen und Camilla ein kleines Täschchen mit Tigerbalsam.





Sie servierte uns Lamm, eine norwegische Version von Yukka/Kartoffelstock und Gemüse. Wir verteilten die Geschenke danach. Seit Camilla in der Logistik von L’oréal arbeitet, kriegen wir Mädels immer gutes Make-Up und Parfüm. Sie schenkte mir ein Eau de Toilette von Dior und ein Augenbrauenpinsel-dingens. Sie kriegt vieles davon gratis, weil’s falsch bestellt wurde oder etwas nicht korrekt darauf gedruckt war. Ingunn und Camilla hatten dann noch Familientelefonkonferenzen mit Norwegen, währendem Aaron und ich den Abwasch machten. Wenig später ging ich zu David.

Am nächsten Tag machten wir uns auf den Weg zu Joanne, einer von Davids Schwestern. Sie lebt mit ihrem Mann, Kindern und ein paar Seidenhühnern auf dem Land in einem grossen Haus mit einem gigantischen Garten. Auf dem Weg dorthin sahen wir einige Bauernhöfe mit Pferden und die grössten Gummibäume, die mir bisher untergekommen sind.

Ich kannte die meistens von Davids Verwandten von der Taufe seiner Nichte und seines Neffen. Das essen war ein Festmahl und die Australier mögen definitiv die Schänggeli mehr als die Brunsli. Sofie, Joannes älteste Tochter zeigte mir ihre vier Seidenhühner. Zu ihrem 16. Geburtstag bekam sie einen kleinen Hühnerstall geschenkt. Sie ist ausserdem die Künstlerin der Familie. Aber dazu später mehr.

Das Essen war hervorragend. Danach wird bei den Urquharts immer ein Kunstwettbewerb abgehalten. Jedes Jahr gibt es eine andere Motivvorgabe. Dieses Jahr sollten wir ein prähistorisches Monster zeichnen. Dies präsentiert man vor den anderen Gästen und der Juri. Man muss sich auch eine Hintergrundgeschichte ausdenken. Ich habe Kartraupel gezeichnet. Er lebt im Wallis im Lötschberg. Die älteste Überlieferung wurde von den Römern niedergeschrieben, die wiederum die Erzählung gefangengenommener Kelten wiedergaben. Die Kelten wollten vor den Römern flüchten und versteckten sich in einer Höhle im Berg. Kartraupel mag allerdings seine Ruhe und tötete er drei von ihnen und weidete sich ihrem Fleisch. Heutzutage gibt er sich mit Wanderern und Bergsteigern zufrieden. Hier noch die Zeichnung der anderen. 














Der Löwe ist Sofies Werk. Sie ist wirklich sehr talentiert.







Ich habe leider nicht gewonnen, obwohl ich Davids Onkel, einen der Juroren mit Schänggeli bestochen habe. Nächstes Jahr kann ich es ja noch einmal versuchen.

Abends hatten wir dann eine Konferenzschaltung mit meiner Familie väterlicherseits, die extra länger aufgeblieben sind. Es war witzig. Einerseits waren die Leute vor dem Bildschirm bemüht eine Unterhaltung zu führen, aber manche verstanden das Prinzip nicht, dass man im Hintergrund vielleicht nicht einfach weiterschwatzen soll. Die billigen eingebauten Mikros eines Laptops können das nicht sauber erfassen und bei mir kam dann ein riesen Kudelmuddel aus den Lautsprechern. Deshalb hatten wir viel „Was?“ und „Kannst du das wiederholen?“ auf Deutsch und auf Englisch in der Konversation. Es war trotzdem schön alle zu sehen.

Ich weiss nicht mehr genau wann, aber kurz nach Weihnachten hatten David und ich wieder einen unserer Winewalks. Dieser führte uns zur Pleasant Avenue. Das ist eine herzige Strasse mit sehr schönen Häusern. Eine weniger psychotische Version der Wisteria Lane aus der Serie „Desperate Housewives“. Zu jedem Feiertag oder Event dekorierten die Bewohner ihre Häuser und Gärten hier ein paar Fotos.




















Snuggles war definitiv das Highlight der Strasse.

Am 31. Waren David und bei Camilla zu Sylvester eingeladen. Ich schmiss mich in Schale und brachte etwas Lamm für das BBQ mit. Es war ein erträglich warmer Abend. Wir trafen ein Kanadisches Pärchen, die auf der Durchreise waren und die Norwegerinnen hatten ihre Freude Champagnerflaschen mit grossen Küchenmessern zu öffnen. Gegen elf gingen wir dann alle zur Balmain Wharf, von der aus man eine gute Aussicht auf die Harbour Bridge hat, wo das Feuerwerk stattfindet. Es war ein schönes Feuerwerk und wir haben es gerade noch pünktlich geschafft. Die Wharf ist nämlich mindestens eine halbe Stunde entfernt. Plop, Plop, Küsschen hier und da und schon war‘s 2018. Ein paar Schweizer haben mir dann schön ein „Guet’s Neus“, via Facebook gewünscht. Für die war’s noch Nachmittag.



Wir blieben nicht sehr lange, da wir beide müde waren. So machten wir uns auf den Weg zu Camillas Haus. Ich hatte meine Tasche dort vergessen. Vor dem Haus sassen ein paar der Partygäste. Sie meinten, dass sie nicht mehr reinkämen, da Camilla ja noch unterwegs sei. Glücklicherweise hatte Zanaz etwas zu viel und schlief in Camillas Bett. Ich „klopfte“ ans Fenster und bat sie mich hinein zu lassen. Ihr Mitbewohner - und an dem Abend Babysitter -  machte uns auf. Ich liess Camilla durch eine SMS wissen, dass eine Horde Norwegischer und Schwedischer Wikinger in ihr Haus eingedrungen sind und wünschte ihr eine gute Nacht.

Am Neujahrstag war ich schon wieder fleissig. Davids Geburtstag war am nächsten Tag und so wollte ich seine Tunika fertig nähen und ihm eine Erdbeertorte backen. Die hat er sich gewünscht und ich mag Herausforderungen. Die Torte ist mir recht gut gelungen. Dank der verdrehten Jahreszeiten, hatte ich überhaupt keine Probleme Erdbeeren zu kriegen. Die waren sogar im Sonderangebot. Es war meine erste Vanillecrème und mein erster Biskuitboden und beide waren essbar und ansehnlich. Mit der neuen Nähmaschine war das Fertigstellen der Tunika ein Kinderspiel. Er holte mich abends ab, da ich noch keine Tortenglocke hatte und die Torte sehr empfindlich war.

Am nächsten Morgen sind wir wieder früh aus den Federn gekrochen, damit wir den Tag ausgiebig nutzen konnten. Wir fuhren wieder durch den Royal National Park. Dort parkten wir nahe beim Bootsverleih und mieteten ein Kanu für eine Stunde. Die Dinger sind so instabil wie sie aussehen. David hatte seine Freude daran, gelegentlich etwas hin und her zu Schaukeln. Der Fluss und die Vegetation erinnerten mich stark an die Yellow Water des Kakadu National Park im Northern Territory. Ich erwartete fast, dass wir jeden Moment einem Krokodil über den Weg ruderten. Natürlich passierte nichts dergleichen. Die Zikaden waren unglaublich laut. Wir machten unsere Scherze, dass der Lärm von den Fans an einem AC DC Konzert käme. Danach fuhren wir mit dem Auto weiter zum Jibbon Beach. Wir hatten ein leckeres Mittagspicknick und schwammen im Meer. Ich weiss jetzt nicht mehr so genau, was wir danach gemacht haben.



In der kommenden Woche waren wir wieder auf Wohnungssuche. Dieses Mal war die Ausbeute besser. Nach etwa sechs oder sieben Besichtigungen fanden wir unsere Wohnung und bewarben uns sogleich. Zwei Tage später bekamen wir die Zusage. Und schon ging das Listen machen los. Die Schweizerin in mir kann sich nicht lange über solche Dinge wie eine Zusage für eine Wohnung freuen. Stattdessen musste ich gleich alles Auflisten, was wir brauchten und wie viel wir ausgeben müssen. Ich überzeugte David mit mir zu Ikea zu gehen. Er war noch nie dort. Ich erspare Euch die aufregenden Details, der Jagd nach dem perfekten Sofa, Esstisch, Wäschekorb etc.

Jetzt da der Umzug so kurz bevorstand, verbrachte ich mehr Zeit mit Benny. Ich ging mit ihm statt 1.5 bis zu 3 Stunden Gassi. Hier noch ein Foto von Benny Boy.





Die Zusage für die Wohnung kam an einem Dienstag. Am Wochenende darauf zogen wir schon ein. Ich lernte noch die neue Mitbewohnerin kennen. Sie musste früher einziehen und schlief auf der Couch. Sie war zwei Tage da und stellte bereits alles in der Küche und im Bad um. Ohne zu Fragen, ohne Sinn und ohne Logik. Jammerte, es sei zu dreckig und und und. Ich dachte nur daran, wie froh ich bin, nicht mit ihr Leben zu müssen. Allerdings machte es mich schon traurig, Benny und Bruce Adieu sagen zu müssen. Sie sind mir so sehr ans Herz gewachsen, meine pelzigen Mitbewohner.

Die kommenden Wochen bestanden aus Bewerbungen schreiben und die Wohnung fertig ausstatten. Vorletztes Wochenende hatte ich dann endlich die Zeit für das Preseason Training und anschliessend mal wieder mit Camilla und Kim an den Strand zu gehen. Kim war während der Feiertage in Südafrika bei ihrer Verwandtschaft. Sie hat uns allen hier gefehlt. Wir gingen nach Dee Why an den Strand. Der ist ziemlich lang und vor allem für Surfer, aber wir konnten uns trotzdem abkühlen. Danach gingen wir zu Kims Gasteltern. Sie waren nicht da, aber wir wollten sowieso nur kurz duschen und zu Abend essen. Das Haus war äusserst luxuriös eingerichtet und riesig. Man hat mir dann erzählt, dass der Gastvater Bankgeschäfte für Kohleminen in Australien regelt. Das hat mich irgendwie beruhigt. Sieht hübsch aus, ist aber auf den Lorbeeren eines sehr korrupten Wirtschaftszweigs gebaut. Es gibt in Australien regelmässig Proteste, weil die Kohleminenunternehmen, das Great Barrier Reef zerstören und der Umwelt generell schaden. Da sie aber gute Lobbyisten haben, stehen viele Politiker auf deren Seite. Beruhigt hat es mich, weil ich lieber ein gutes Gewissen als Luxus haben möchte. Da muss ich dann nicht allzu neidisch werden.

Nach dem Abendessen gingen wir an den Balmoral Beach. Als Teil einer Eventreihe führte eine Theatergruppe Shakespear’s Richard III auf. Die Eventreihe heisst Bard on the Beach und zeigt mehrere Theaterstücke an verschiedenen Stränden. Ich habe das Englisch recht gut verstanden. Ich hätte vielleicht vorher die Geschichte mehr recherchieren sollen. Es war mir nicht immer sehr klar, was gerade passiert. Das schöne war allerdings am Meer zu sitzen mit Wein, Crackern auf einer Picknickdecke, umgeben von Freunden und meinem David.

Am nächsten Morgen fuhren David und ich zum Ku-Ring-Gai Chase National Park im Norden Sydneys. Wir wollten den Aboriginal Track abwandern. Leider haben wir den irgendwie nicht gefunden und sind stattdessen zum Resolute Beach gewandert. Es war wunderschön. Türkisfarbenes Wasser umgeben von Natur. Die Strände in den National Parks haben meistens weniger Leute und sind einfach generell schöner. Ich schwamm für eine Weile, sammelte Muscheln und was tat David? Er lag schlafend im Schatten. Er mag seinen Sommerschlaf. Wir waren auch sehr beschäftigt in den vergangenen Wochen. Er hatte sich das Schläfchen verdient.






Ein paar Tage später ging ich spazieren und entdeckte die Katzen der Nachbarschaft. Ich habe in einem anderen Blogeintrag mal erwähnt, wie hier in Sydney die Katzenhalter sich nicht allzu viele Sorgen, wegen des Verkehrs machen und die Katzen immer raus lassen. Das kam mir natürlich gelegen, nun da ich auf Haustierentzug war. Ich habe den Leroy 2.0 in Stanmore gefunden. Er ist orange, langhaarig und riesig. Allerdings nicht ganz so übergewichtig wie der gute alte Leroy. Wir haben ihn Vincent Vega getauft. Das war einer der Gangster in Pulp Fiction gespielt von John Travolta.



Am kommenden Wochenende war Australia Day (26. Januar). Da alle frei hatten organisierte Camilla einen kleinen Brunch bei ihr. Anschliessend gingen wir nach Burwood an eine Poolparty. Das hatten wir auch bitter nötig. Es war recht warm. Ich spielte sogar etwas Cricket im Pool. Gegen acht war ich allerdings schon ausgelaugt und wollte nach Hause und mich auf die Couch fläzen. Das habe ich dann auch gemacht. Die Klimaanlage surrte im Hintergrund und ich schaute mir irgendeine Serie an. David kam dann von seinem Catanspielabend gegen elf Heim.

Am Samstag hat das Männerteam uns für ein Spezialtraining in Coogee eingeladen. Camilla wollte mich abholen und gemeinsam hinfahren. Leider war sie dann doch verhindert und ich kam zu spät an. Die anderen waren schon weg. Ich habe mich dann auch etwas geärgert. Beschloss dann aber einfach alleine etwas zu joggen. Ich habe kürzlich etwas über Wut gelesen und dass es meistens damit zu tun hat, dass wir Erwartungen haben, bezüglich was uns zusteht und was uns gegenüber fair ist und diese dann nicht erfüllt werden. Manchmal ist es berechtigt, dann mit Wut zu reagieren. Es kann allerdings zur Gewohnheit werden. Um das zu verhindern soll man mitfühlend zu sein. Das habe ich dann auch versucht. Habe mich sofort besser gefühlt. Keiner konnte etwas dafür, dass ich die anderen verpasst habe. Trainieren konnte ich auch alleine. Ich war so stolz wieder joggen zu können nach so langer Zeit. Meine Hüften taten nicht einmal weh.

Danach traf ich mich mit Camilla, Kim und unserem neuen Teammietglied Em aus Perth am Strand. Wir sonnten uns etwas zu lange. Hatte einen kleinen nervigen Sonnenbrand. Das Schwimmen tat allerdings richtig gut. Es war sehr heiss an dem Tag und ich schmolz nur so dahin während und nach dem Joggen. In Australien habe ich erst gelernt wie gross die Notwendigkeit eines Hutes ist. Ich trage fast immer einen an heissen Tagen. Das hält meinen Kopf schön kühl und mein Gesicht geht nicht in Flammen auf. Em war dann so nett und bot mir an mich nach Hause zu fahren. Sie wohnt nur ein Suburb weiter. Ich nahm das Angebot dankend an.

Am Sonntag gingen David und ich wieder zum Ku-Ring-Gai Chase National Park. Dieses Mal wählten wir einen anderen Track. Der führte uns zu einem schönen Aussichtspunkt, von welchem man den Makrele Beach sehen konnte. Leider waren wir auf der falschen Seite, für einen Abstieg zum Strand selbst. Wir hatten dort unsere Mittagsrast auf einem Felsen, von wo aus man die ganze Bucht überblicken konnte. Es tut wirklich gut, wenn man von einer schönen Landschaft umgeben ist. Es beflügelt einen. Nach dem Mittagessen gingen wir weiter zum Basin. Der Abstieg war sehr steil, aber der Ausblick war schön. Als wir unten ankamen war die Lagune kühl, aber recht stinkig. Zum Glück gab es dort eine Dusche. Das schönste war jedoch als wir ein Wallaby sahen. Es hatte keine Angst vor uns Menschen und knabberte an einem Zweig mit Nadeln. Ich konnte es sogar streicheln.
Der Rückweg war sehr steil, aber machbar. Wir sahen noch ein Wallaby und eine sehr grosse Eidechse, schwarz mit weissen Punkten.








Am Montag war es dann endlich so weit. Ich kaufte ein paar Tage zuvor eine 4 Liter Glaskaraffe, einen Gärverschluss, Weinhefe, Hefenährstoff, 1.5 kg Honig, Orangensaft und Rosinen. Ich braue gerade meinen ersten Met. Ich desinfizierte zuerst alles und liess es Lufttrocknen. Dann „weckte“ ich die Hefe auf. Ich wärmte dafür etwas Orangensaft auf etwa 35-40°C. Fügte die Weinhefe hinzu, schüttelte die Flasche heftig. Dann füllte ich den Honig und etwas warmes Wasser in die grosse Karaffe. Schüttelte es gut durch. Dann gab ich die O-Saft Hefe Mischung dazu. Würze mit etwas Muskatnuss, Rosinen, „Allspice“ (keine Ahnung was das auf Deutsch ist) und gab den Hefenährstoff dazu. Gärverschluss drauf und nun ploppt die ganze Mischung seit Tagen vor sich hin.



Das Rezept habe ich vom Internet. Es soll damit besonders schnell gehen, sechs Wochen. Ich hoffe, dass das klappt. Am 1. April zu Ostern findet wieder das grosse Rowany Mittelalterfest statt. Ich wollte ihn dort der Brauergilde vorstellen.

So das war’s vorerst. Ach ja. David wünscht den Schweizern viel Erfolg in der kommenden Winterolympiade in Süd Korea, möchte uns aber gleichzeitig daran erinnern, dass die Australier uns definitiv in allem schlagen werden… Pffff, wer’s glaubt. Ausserdem haben sich alle Aussies ungemein gefreut das Roger Federer seinen 20. Grand Slam am Australian Open in Melbourne feiern konnte.

Ich freue mich auf das Rowany Festival, den Start der Rugby League Saison, mehr Wanderungen und natürlich auf ein Wiedersehen mit Euch allen Ende Juni, wo ich für drei Wochen in die Schweiz zurückkomme.

Bis demnächst und G’day.
pirania light.

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