Sydney 29 - Ich habe endlich einen Job und mein Leben ist voller Käse
Der Winter
ist ja sowas von vorbei. Die Jahrhundertdürre in Australien wurde von heftigen
Regenfällen abgelöst. Die Temperaturen steigen langsam. Was aber ist in der
Zwischenzeit seit meiner Rückkehr aus der Schweiz geschehen? Ich habe ungefähr
150 Bewerbungen abgeschickt und hatte etwa 15 Bewerbungsgespräche. Zudem spiele
ich jetzt Oztag anstatt Rugby League, habe wieder mit dem Singen angefangen, nähe
eine Bliaut (Kleid 12. Jh.) und habe einen Job gefunden. Aber erst einmal alles
der Reihe nach.
Meine
Rückkehr nach Sydney war weniger problematisch als ich dachte. Ich fand mich
schnell wieder in meinen Alltag mit Sport, Musik, Jobsuche, Nähen und Kochen ein.
Sobald ich meinen Jetlag wieder etwas mehr im Griff hatte, nahm ich mir jeden
Tag Zeit Bewerbungen zu schreiben. Ich hatte auf einmal Riesenerfolg und ging
zu einem Bewerbungsgespräch nach dem anderen. Es dauerte trotzdem eine Weile,
bis ich endlich Glück hatte. Ich bin froh, hat’s endlich geklappt. Es hat mich
recht ausgelaugt. Man muss sich immer wieder sagen, dass nur weil es wieder
nicht geklappt hat, man nicht weniger wert ist. „Einfach weitermachen.“, habe
ich mir dann immer gesagt. Jetzt kann ich ja das Hamsterrad „Jobsuche“ endlich
verlassen. Zu meiner neuen Stelle später mehr.
Lasst uns
über religiöse Fanatiker in Sydney sprechen. Es gibt nicht unzählig viele, aber
mehr als ich dachte und sie gehören nicht einmal alle zu Scientology. Vor zwei
Monaten war ich wieder einmal im Stadtzentrum nahe der Townhall Station. Ich
kam gerade vom Stoffladen (wegen Mittelalterlichen Belangen), da sehe ich einen
Mann Mitte 50 von unscheinbarem Aussehen, der ein riesiges Schild hochhält. „9
pm, 20 September 2018, a tsunami will flood Sydney…“ (21 Uhr, 20. September
2018, ein Tsunami wird Sydney fluten). Ich hatte Kopfhörer auf und hörte Musik,
aber ich sah wie er ohne Punkt und Komma drauflos schwadronierte. Ich nahm den
Zug nach Hause und siehe da, drei Monate später sind wir immer noch unter den
Lebenden.
Ohne Punkt
und Komma zu predigen und brüllen, scheint ein besonderes Merkmal des
Fanatikers zu sein. Wenige Wochen später sah ich einen weiteren Fanatiker als
ich auf den Bus wartete. Er stand vor meiner alten Uni und blökte vor sich hin.
Sünder hier, Teufel, Fegefeuer und Hölle dort. Ohne Luft zu holen hat er
gequasselt. Er hat auch nicht wie ein nette/r Pfarrer/in gepredigt sondern anklagend
auf die sündhafte Studentenschaft und deren Lotterleben geschimpft. Ich habe
ihn eine Weile beobachtet in der Hoffnung, dass die Sozialistische
Studentenverbindung aufkreuzt und ihm eine Szene macht. Die Sozis sind leider
nicht aufgetaucht, aber er wurde von einem netteren Prediger abgelöst.
David und ich
haben den 1. August das erste Mal seit zwei Jahren gefeiert in Castle Hill. Die
Sydney Yodlers haben in Zusammenarbeit mit der Swiss Society NSW eine
Nationalfeier organisiert. Die Jodler kamen mit ihren Alphörnern und danach
spielten ein Handorgelspieler und ein paar Sänger Lieder wie „S Ramseiers wei
go grase“. Das Schwingerturnier haben wir leider verpasst. Glücklicherweise gab
es ein paar Verkaufsstände mit Raclette- und Fonduekäse, Aromat, Ovomaltine und
noch anderen Dingen, die man sonst nur schwer auftreiben kann. Ich habe beim
Raclette zugeschlagen. Meine Grosseltern gaben uns ein Racletteofen mit nach
Australien als wir noch im Lötschental in der Schweiz zu Besuch waren. David
mag Raclette mehr als Käsefondue, kann aber noch nicht ganz mit meinem
Käse/Kartoffel Verhältnis mithalten (2-3 Raclettescheibchen auf eine
Kartoffel). Ein paar Wochen später haben wir dann den Ofen ausprobiert. Er funktioniert
perfekt.
Etwa drei
oder vier Wochen nach meiner Rückkehr war die Rugby League Saison an der Uni zu
Ende. Das Männer Team gewann zum ersten Mal nach 13 Jahren die Meisterschaft.
Wir feierten den Gewinn ausgiebig. Es war zur gleichen Zeit aber auch ein
Abschied. Das Frauenteam hat sich danach aufgelöst. Ein paar Mitglieder sind
aus verschiedenen Gründen (Karriere, Visum) ausgetreten. Ich habe nach einer
kurzen Zeit mich nach Oztag Teams umgesehen. Ich wurde schnell fündig und
spiele nun in einem Suburb oder Quartierswettkampf mit. Unser Team heisst Wabba
Lubba Tag Tag. Oztag ist ähnlich wie Rugby League, aber ohne Tackles. Ich bin
immer noch etwas unsicher beim Spielen, aber verbessere mich stetig. Meine
Teamkameraden sind sehr nett und geduldig, wenn ich wieder einmal mit Sprachbarrieren
zu kämpfen habe.
In der
Zwischenzeit ging auch die AFL Saison zu Ende. David und ich haben unser Bestes
getan und gingen an so viele Spiele, wie wir konnten. Leider haben dann aber
doch die Westcoast Eagles gewonnen. Die Giants kamen bis zum Viertelfinale und
haben dann gegen Collingwood verloren.
Ein paar
kleine Anekdoten zu unsern Nachbarn. Wir kennen inzwischen die drei anderen
Parteien. Eines Morgens um 7 Uhr klingelt es an der Tür. Die Polizei wollte
Einlass. Unschuldig und schläfrig wie ich war, stellte ich keine Fragen und
liess sie rein. Sie fragten, nach meinem Nachbar. Dem Freund/Ehemann der
Familie, welche neben uns die Wohnung hat. Die drei Polizisten waren recht
freundlich, aber der eine sah aus wie Hagrids Halbbruder. Er war riesig und
hatte eine Schweinchennase. Hier ist ein Bild.
Die
Nachbarn in der Wohnung über uns waren eigentlich recht nett. Aber als sie
auszogen, haben sie das Wasser abgedreht ohne zu wissen, dass sie uns auch
gleich mit trockenlegten. Ich rief beim Vermieter an und am Abend funktionierte
alles wieder. Am Morgen früh hörte ich ein verdächtiges „Plob, plob, plob…“ vom
Stockwerk über uns. Ich dachte schon ich hätte die obere Wohnung geflutet, weil
wir den Haupthahn wieder aufgedreht hatten in der Nacht zuvor. Alles in Ordnung, Es war nur ein undichter,
tropfender Wasserhahn. Drei meiner Nachbarn sahen mich im Bademantel mit nassen
Haaren herumrennen deswegen. In der dritten Wohnung lebt eine Familie. Die
haben mich bisher nur im Bademantel, einem Mittelalterkleid und Büroklamotten
gesehen. Ich weiss halt, wie man einen guten Eindruck hinterlässt. So nun aber
zurück zu der Hauptgeschichte.
Inspiriert
durch seine Reise in die Schweiz, hat David sich für einen Deutschkurs
angemeldet. Er lernt nun fleissig Vokabeln und unsere unsägliche Grammatik. Der
Kurs findet abends an meiner alten Uni statt. Ich war auch wieder häufiger auf
dem Campus. Ich war kurze Zeit im Madrigal Choir an der Uni. Das ist eine Art
Chormusik, die eher ältere (vor dem 19. Jh.) Stücke behandelt. Dank meinem
Rauchstopp vor fast zwei Jahren kann ich sogar Mezzo Sopran singen. Da das Semester
allerdings fast fertig ist, wird der Chor sich vermutlich nicht mehr vor März
2019 treffen. Das ist mir zu lange, weshalb ich mich nach einem neuen Chor
umsehe. Lady Annabelle vom Mittelalterclub hat mich ursprünglich angefragt, ob
ich Lust hätte mitzumachen. Bei einem „Arts and Science“ treffen des
Mittelalterclubs, war der Madrigal Choir auch eingeladen. Wir haben
geschneidert und gestickt, während sie geprobt haben. So kam ich dann auch für
etwa fünf Wochen zum Chor. Zu Hause habe ich zum Spass probiert „Die Königin
der Nacht/Der Hölle Rache“ aus Mozarts Oper „die Zauberflöte“ zu singen. Ich
komme bisher bis zu „... meine Tochter nimmermehr“ (an einem guten Tag). Ich
hab’s mal nachgeschaut. Dieses Stück ist für Soprano Coloratura geschrieben
(Mozarts Schwägerin sang den Part).
Camilla,
meine erste Freundin in Australien, teilte uns mit, dass sie zurück nach Norwegen
gehen muss. Ihr Visum wurde abgelehnt, und sie muss jetzt Berufserfahrung zu
Hause sammeln. Das war für uns alle recht traurig, aber Kim und Siggy hatten
die grossartige Idee, eine Überrschungsparty zu organisieren. Die Party fand
Anfang September statt. Das Motto lautete „Bogan“ (Hinterwäldler). Ich habe
dafür extra eine Wombat Piñata gebastelt.
Die Party war ein voller Erfolg. Wir verkloppten Wazza the Wombat im Garten und spielten ein paar spiele bevor wir nach Newtown zum Townie gingen.
Dort spielte eine Band, die komplett in 70er Jahre Mode (Schlaghosen und super farbige Hemden) auf die Bühne trat. Neben bekannten Coversongs spielten sie auch ihre eigenen, die super in die Zeit passten. Sehr rockig, gut um sich auszutoben. Danach ging ich wieder nach Hause.
Die Party war ein voller Erfolg. Wir verkloppten Wazza the Wombat im Garten und spielten ein paar spiele bevor wir nach Newtown zum Townie gingen.
Dort spielte eine Band, die komplett in 70er Jahre Mode (Schlaghosen und super farbige Hemden) auf die Bühne trat. Neben bekannten Coversongs spielten sie auch ihre eigenen, die super in die Zeit passten. Sehr rockig, gut um sich auszutoben. Danach ging ich wieder nach Hause.
Ich habe
mich in den folgenden Wochen vor allem meinen Nähprojekten und der Jobsuche
zugewandt. Ich nähe eine Bliaut (sieht so aus wie Eowyns Kleid aus „der Herr
der Ringe“). In Zukunft werde ich mich mit der Heraldik (Wappenkunde) mehr
beschäftigen. Man kann sein eigenes Wappen kreieren mit Familienmotto. Ich
dachte zuerst an meine eigenen Familienwappen (mütterlicher- und väterlicherseits),
aber die sind aus sehr bürokratischen Gründen nicht zugelassen im Club. Ich
dachte an ein Schwein mit einer Karotte in der Klaue. Aber ich bin offen für
Vorschläge.
Letztes
Wochenende kamen Davids Mutter, seine Schwester und ihre Kinder zu Besuch. Ich
hatte die Ehre, ihnen ihr allererstes Käsefondue zu servieren. Ich habe sie in
die hohe Kunst des Käsetunkens eingeführt und ihnen mit Strafe gedroht, falls
sie das Brot in der Pfanne liegen lassen. Sie waren alle tapfer und haben dem
Käse gefrönt.
Zur
Jobsuche könnte ich viel schreiben, wenn mich die ganze Sache nicht so
unglaublich anöden würde. Monatelanges Scheitern und nur einen Erfolg. Das will
doch keiner lesen (oder schreiben). Ich werde bei einer Werbefirma (So wie die APG
in der Schweiz) als Kampagnenkoordinatorin arbeiten. Ich habe noch nicht
angefangen, weil ich gestern erst die Zusage bekam. Ich bin allerdings sehr
sehr glücklich und nun können David und ich so viele Dinge in Angriff nehmen.
Eine neue Wohnung, die nächste Reise in die Schweiz, eine Katze, Fahrstunden
für mich, die Mitgliedschaft im Giants Fanclub und und und.
Als kleines
„Bettmümpfeli“ habe ich Euch noch die „Shame“-Galerie zusammengestellt. Diese
Sammlung entstand während unserer Wocheneinkäufe. Dort sehen wir immer wieder
Produkte, die die Leute aus Scham oder schlechten Gewissen wieder zurück in ein
(falsches) Regal stellen.



G’Day from far away und bis demnächst.
piranialight.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen