Sydney 20 - Neue Bude, mit Hund, Katz und Gecko
Ich bin so
erleichtert. Ich habe heute die Zusage für ein schönes Zimmer, zwölf Minuten
Fussweg von meinem Teil des Campus‘ entfernt, erhalten. Das Suchen hat ein
Ende. Ausser für die Arbeit. Ich suche noch immer einen Job.
Samstag
25.03.2016
Ein
schräger Tag. Wir sollten ein Intensivseminar für das Fach „Social Media
Communication“ haben. Es wurde gross angekündigt. „Ganz wichtig Leute.
Verschlaft nicht!“. Natürlich war es sehr unwichtig und unorganisiert. Jedoch
war es nett ich mit ein paar meiner Mitstudierenden rumzuhängen. Zuerst vor dem
verschlossenen Gebäude, dann vor dem verschlossenen Vorlesungszimmern und dann
in den Zimmern, weil die Dozentinnen immer noch keinen Plan hatten, wer nun für
was zuständig war. Man hat uns sogar drei Stunden vor dem offiziellen Ende
wieder gehen lassen. Und weil es so unglaublich wichtig war, das wir
aufkreuzten, musste ich die Dozentinnen an die Anwesenheitsliste erinnern. Sie hatten
leider keine dabei. Eine Studentin gab ihnen aus Mitleid dann ein Blatt aus
ihrem Notizblock.
Ich war
recht gut gelaunt. Das Wetter war schön und ich freute mich darauf, später
David zu sehen. Wir testeten unsere Sprachapplikationen aus. Siri gegen Google.
Am nächsten Tag quälte ich David mit Deutschunterricht. Ich habe drei
Deutschlektionen inklusive Hausaufgaben verfasst. Sein Deutsch verbessert sich
von mal zu mal. Er hat noch Schwierigkeiten mit unserem „Z“. Ich sage Leuten
gerne, dass beim Buchstaben „Z“ das Zwerchfell hüpfen sollte und beim „pf“
gespuckt werden muss, wenn man es richtig machen will. Der Profi unterlässt das
Spucken natürlich mit der Zeit.
Ich
befürchte jedoch, das mein Unterricht zu trocken ist und auf Dauer meinen
einzigen Schüler nicht bei Laune halten wird. Ein richtiges Deutschbuch muss
her. Ausserdem ist es schwer einen roten Faden zu haben, wenn man die
Muttersprache weiter gibt.
Danach ging
ich zuerst ein Zimmer in Leichhardt besichtigen. Ich mochte es sehr. Es war allerdgins
in einem Bording House. Danach ging ich wieder Heim und arbeitete an Unikram.
Am Montag
tat ich dasselbe, ging allerdings kurz in die Uni, um mich für die Social Media
Communication Gruppenarbeit zu treffen. Es kübelte schon wieder ohne Ende. Was
ich allerdings dort noch nicht wusste, mein armes kleines Netbook hat es nicht
überlebt. Mein Rucksack war sehr günstig und ist nicht ganz 100 % wasserdicht.
Fare well, little fella.
Am Dienstag
war ich wieder im Mittelalterklub. Wir sassen im Kreis in die Sessel gefläzt.
Ich nähte an meinem Kleid, andere bestickten Tücher oder Hüte oder sassen mit
ihrem Laptop da. Wir redeten über die Definition von Gesellschaft und
Proporzwahlen. Ich weiss, ich weiss, sehr grosskotzig. Wir sprachen aber auch
über die Organisation des Mittelalterklubs und das kommende Osterfestival. Zum
ersten Mal fühlte ich mich richtig dazugehörig. Ich wurde nie von den anderen
Mitgliedern ausgeschlossen. Meine Sprachbarriere versperrte mir öfters den Weg
für weniger oberflächliche Kontakte. Weil ich ein gutes Pokemon bin,
entwickelte ich mich und meine Sprachkenntnisse jedoch weiter. Danach gingen
wir wieder in den Pub und ich machte Werbung für den Rugbyclub.
Am
Mittwochmorgen hatte ich wieder meine HTML5 und CSS Vorlesung. Wollt ihr
wissen, welchen Namen diese Vorlesung eigentlich trägt? „Web Environment for
Cultural Producers“… Wieso? Jemand fand’s wahrscheinlich würdevoller. Hier
meine alternativen Vorschläge:
„Adaptable Webdesign“ (was es eigentlich ist), „Hot pages
for cool cats“, “I hope you like Apple products” und mein Liebling “Spellcheck
for pros”
Man soll
lernen, wie man Websites kreiert, die auf dem Desktop, Smartphone und Tablet
gut aussehen. Wir lernen etwas über Grafikdesign aber auch HTML 5 und CSS. Es
ist also sehr praktisch.
Danach
wollte ich den Vertrag für das Zimmer in Leichhardt unterschreiben. Ich ging
also zum Haus und der Sachbearbeiter der Agentur wartete schon auf mich. Wir gingen
durch den Vertrag. Leider hatten sie zuvor
mit keinem Wort erwähnt, dass man unter keinen Umständen Gäste übernachten
lassen darf. Es ist 2017 ich bin 26 und in einer Beziehung. So eine Regel ist
ziemlich unpraktisch. Der Sachbearbeiter meinte, das sei überall so. Ich könnte
das Zimmer jedoch zum „Couples rent“ Preis mieten. Das wären $200 mehr im
Monat. Er meinte noch, dass normalerweise die Partner den Aufpreis bezahlen
würden. Das ist wieder einmal so eine Geldmacherei. „Du bist also in einer
glücklichen Beziehung und wachst gerne ein bis zwei mal die Woche neben deinem
Partner auf? Das macht dann $200 bitte.“… Ich sagte ihm, dass der Deal geplatzt
ist und ging recht frustriert wieder Heim. Natürlich suchte ich sofort weitere
Zimmer. David holte mich dann ab und wir hatten einen entspannten Abend in
seinem Haus.
Am nächsten
Morgen ging ich zur Uni, um an meinen Readings zu arbeiten und in die Social
Media Communication Vorlesung zu gehen. Meine Dozentin Fiona, die nicht an der
Intensivsession dabei war, gibt auch meine Vorlesung New Media Audiences. Ich
mag sie manchmal. Sie ist sehr nett und bemüht alle zu integrieren. Man merkt
leider, dass sie einen Teenager (15 jähriger Sohn) im Hause hat. Sie fragt uns
immer, ob wir auch schon dies oder jenes erledigt hätten für unsere
Assignments. Wir müssten uns langsam mal beeilen. Ich beruhige sie dann und
versichere ihr, dass wir kompetent sind und nicht im Verzug. Meine Gruppe
präsentierte unsere Kampagne für das Syndey Conservatorium of Music. Es war ok.
Der
spassige Teil kam erst diese Woche als wir für ein Youtube Video einen
Studenten (Violonspieler) des Conservatoriums interviewten oder als wir
anfingen die verschiedenen Posts zu planen, z.B.
- „Throwback Thursdays“ (wird an einem Donnerstag gepostet, handelt von Nostalgie, einer Anekdote)
- „Q&A’s“ (Questions and Answers; Interviews, bei denen das Publikum die Fragen einsendet, twittert, chattet oder kommentiert)
- „Google Autocomplete Interviews“ (Fragen auf google zum Interviewpartner eintippen und die Vorschläge der Suchmaschine auch verwenden)
- Comedy scetches
- Livechats
- Twitter polls für lustige Gags bei Auftritten
und noch so
vieles mehr. Ich finde das alles äusserst faszinierend. Vielleicht stehe ich
damit ein wenig alleine da.
Am Abend
traf ich dann das erste Mal auf mein Rugby Team. Wir waren wider in der Forrest
Lodge (das ist auch das Stammlokal des Mittelalterklubs). Wir wurden dem
Vereinspräsident vorgestellt und lernten einander kennen. Ich mag meine
zukünftigen Mitspielerinnen.
Am Freitag
war ich morgens in der New Media Audiences Vorlesung. James musste
präsentieren. Er kann gut präsentieren. Ich stelle euch den guten James vor,
weil er mir sympathisch ist. Er ist in einer ähnlichen Bredouille wie der arme
David. Verliebt in eine Baslerin (in seinem Falle sogar verlobt). Sie wollen in
18 Monaten nach Genf ziehen, da seine Liebste eine Diplomatenkarriere anstrebt.
Jetzt muss er nicht nur Deutsch sondern auch noch Französisch lernen. Eloïse
und ich piesacken ihn gerne, indem wir ihn entweder auf Deutsch oder
Französisch zulabern. Natürlich findet er es auch lustig. Er ist ein lustiger,
aufgestellter Mensch mit dem ich mich gerne unterhalte.
In der
Mittagspause ging ich zu einem Nähtreffen des Mittelalterklubs. Ich habe weiter
an meinem Kleid genäht, während ein anderes Klubmitglied die Geschichte
Beowulfs vortrug. Danach ging ich in die Internet Governance Vorlesung.
Am Abend
sass ich vor dem Laptop, schaute mir auf Youtube Voker Pispers, Dr. von
Hirschhausen und Poetry Slam an währendem ich weiter an meinem Kleid nähte.
Am Samstag
nähte ich morgens und ging am Nachmittag ein weiteres Zimmer in Newtown
ansehen. Es war hübsch, aber nach langen hin und her habe ich gestern die
Nachricht erhalten, dass es nichts wurde. Danach ging ich zu David. Wir liessen
den Abend entspannt angehen. Ich glaube seine Nachtschichtarbeit und mein
Zimmersuchfrust machten uns beide etwas lethargisch.
Am nächsten
Morgen gingen wir in Petersham oder Lewisham brunchen. Als wir zu seinem Haus
gingen, war seine Mutter da. Es war ein Zufall, aber schön sie kennen zu
lernen. Sie ist sehr nett und war überrascht, dass ich keinen Deutschen Akzent
hatte. Sie ist sehr versiert im Gärtnern, Backen und Haareschneiden. Sie hatte
früher ihren eigenen Salon und backte später für Anlässe wie Hochzeiten oder
Geburtstage. Danach gab ich David noch eine Deutschlektion.
Um zwei Uhr
traf ich mich mit Jas und ihren Freunden sowie ihrem Partner in der Central
Shopping Mall für eine kleine Geburtstagsfeier. Sie wurde 29. Eigentlich
wollten wir ein Picknick veranstalten, aber es regnete. Schon wieder. Es war
schön Jas, Smokey, Dae und Em wieder zu sehen.
Am Montag
liess ich es ruhig angehen. Ich war recht produktiv und die Zimmersucherei
schlauchte mich. Ich schaute mir ein paar Filme an und machte am Abend einen
Spaziergang zu Lincraft (Nähbedarf), um ein paar Dinge für mein Kleid zu
kaufen. Ich entschloss mich spontan dazu, Francesco, meinem ehemaligen
Mitbewohner, zu schreiben. Er war der einzige der seine Kaution zurückbekam,
weil er damals mit der Polizei drohte. Clever. Leider waren sie schon ausser
Landes als ich zurückkam.
Wir trafen
uns in einem Pub in der Nähe seiner Wohnung in Alexandria. The Iron Duke hiess
der Schuppen. Wir sprachen über sein neustes Tächtelmächtel, seine Abreise im
Juni, meinen Kram und über den Kulturschock, den er nie überwunden hatte und
weshalb er abreist. Ich wünsche ihm viel Glück und eine gute Reise.
Am Dienstag
war ich wieder etwas produktiver und ging abends zum Treffen des
Mittelalterklubs. Ich nähte etwas weiter, musste dann allerdings wieder zum
Haus nach Newtown mich der zweiten Bewohnerin vorstellen. Hat ja dann nicht
geklappt. Ich ging nach Hause und arbeitete an meiner Präsentation für den
Webdesign Kurs.
Die
Präsentation am Mittwoch lief gut. David holte mich von der Uni ab und wir
fuhren zu ihm. Er hatte bereits eine Lasagne zubereitet. Wir schauten uns ein paar
„Rick and Morty“-Folgen an und dann musste er auch schon wieder zur Arbeit. Ich
widmete mich der Social Media Kampagne.
Heute war
ich auch wieder brav in der Uni. Das Beste passierte nach der Uni. Am Abend
ging ich an eine Zimmerbesichtigung in Darlington. Das Haus ist sehr schön und
gross. Annie zeigte mir alles. Es hat zwei Wohnzimmer, ein Esszimmer, eine
Grosse Küche, einen Garten und ein grosses Zimmer für mich. Ausser Annie und (ab
Sonntag) mir, leben ein Franzose, ein Hund, ein Kater und ein Gecko oder eine
Eidechse (weiss es nicht mehr genau) dort. Wir verstanden uns auf Anhieb. Sie lebte
als Kind in Luxemburg. Wir sind beide etwas eigen, auf unsere nicht böse
gemeinte Art und Weise.
Eine für
mich wichtige Erkenntnis möchte ich mit euch teilen. Diese Reise nach
Australien, der Anpassungsprozess und die Höhen und Tiefen, gaben mir ein
Urvertrauen in mich selbst zurück. Ich habe vor meiner Reise an mir gezweifelt.
Das ist jetzt vorbei. Irgendwie kommt immer eine Lösung raus, auch wenn ich
nicht immer alles steuern kann. Dass diese temporäre Ohnmacht kein Versagen
ist, beruhigt mich ungemein. Ist das nun erwachsen oder bequem? Nein. Es ist
nicht bequem.
So. Nun ist
aber mal genug mit der Philosophiererei. Ich wünsche euch allen ein schönes
Wochenende.
G’day und
bis demnächst.
pirania light.
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