Sydney 18 - Nackte Grillmeister und Blutegel

Der Countdown zum Ende des Sommers und den Semesterferien ist angebrochen. Ich freue mich unglaublich auf die Reise und den Beginn des zweiten Semesters. In den letzten anderthalb Wochen habe ich viel Karten gespielt, war an einem kleinen aber feinen Festival im Busch irgendwo nahe Belford und habe die drei Schwestern in den Blue Mountains gesehen. Ich war noch nie so gebräunt in meinem Leben. Der hiesige Feuerball am Himmel hat mir das Schweizerische glatt rausgesonnt.

Ich beendete meinen letzten Blog mit der Ankündigung des Thrashville Festivals in Dashville nahe Belford. Es fing alles viel zu früh an. Um halb sechs Uhr morgens stand ich auf. Kaum auf den Beinen rief mich meine ehemalige Chefin aus dem Café an und fragte, ob ich heute nicht eine Schicht übernehmen könne, sie hätten einen Ausfall gehabt. Einfache Entscheidung. Danke, aber nein Danke und noch viel Glück. Ich stieg in den Zug und kam gegen zehn Uhr morgens in Maitland an. Von dort aus gab es einen kleinen und äusserst mitgenommenen Shuttlebus zum 30 Minuten entfernten Festival. Dort lernte ich Toby aus Newcastle (NSW, Australia) kennen. Da der Bus recht alt war, gab es nur ein Radio aus dem irgendwelche Popschnulzen der 80er und 90er dröhnte. Das fanden wir beide äusserst makaber, wenn man bedenkt, dass wir an ein Metal-/Punkfestival gingen.

Wir kamen gegen elf Uhr an. Es war in einem Waldstück auf Privatgrund. Das Festival sah äusserst gemütlich und heimelig aus. Ein Merchstand, ein Café und ein paar Stühle und Tische in einem Unterstand mit Blick auf beide Bühnen im Zentrum. Rechts davon befanden sich die Halfpipe und die Sanitären Anlagen. Links davon waren die Bar und ein paar Foodtrucks. Die Leute waren zwischen 20 und 60 Jahren. Das Line-Up war ausschliesslich australisch, was mir die Gelegenheit gab ein paar Urgesteine der hiesigen Punkszene Live zu sehen.

Ich habe die ersten Bands nicht ganz so mitbekommen, da ich mich mit einem Burrito angelegt habe und verlor. Während drei Stunden lag ich auf einem Sofa im Schatten und kuschelte mit einer Wasserflasche. Mir war soooo schlecht. Ich blieb tapfer und nach drei Stunden war der Spuk vorbei.

Ich ging wieder zu Toby, der mich seinen Newcastler Freunden vorstellte. Ich spitzte die Ohren, aber es war recht schwer die Damen und Herren zu verstehen. Sie haben einen etwas stärkeren Dialekt als die Leute in Sydney. Die Bands waren toll. Ich empfehle „The Australian Beefweek Show“ für etwas politischen Punk. Der Frontsänger war mit einer Flasche Weisswein auf der Bühne und hat das Ding bis zum Ende seines Sets leer getrunken. Natürlich war die ganze Band Barfuss und die Hälfte des Publikums in Flip Flops (diese werden hier „Thongs“ genannt). Nachdem die Band fertig war kam David an. Er mochte die Atmosphäre und Ausstattung des Festivals. Später traten die Clowns, die Hard-ons und Cosmic Psychos noch auf. Die Cosmic Psychos spielten zuletzt. Die Band bestand aus vier Männern in ihren Sechzigern und einem bärtigen Grillmeister der ausser einem Hut und einer Kochschürze nichts trug. Die Musik war super. Da die Band spielte ganz gelassen auf der Bühne währenddessen der Grillmeister ein paar Würste auf der Bühne grillte und sie an das Publikum verteilte. Wir waren gegen halb drei Uhr morgens wieder bei mir zu Hause.

Dementsprechend sind wir erst gegen Mittag wieder aufgestanden, assen ein paar leckere Burger und spielten eine Runde Backgammon am Maroubra Beach. Wieder bei mir zu Hause sahen wir uns Groundhogday (Und täglich grüsst das Murmeltier) mit Bill Murray an. Also wenn ich in einer Zeitschleife wäre, würde ich garantiert ein paar weitere Sprachen lernen.

Am Montag traf ich mich mit Camilla bei ihr zu Hause in Rozelle. Es waren über 30 °C an dem Tag weshalb ich gekühlten Weisswein mitbrachte. Camilla zu sehen ist so schon immer schön, aber sie lebt auch in einem hübschen Haus mit Klimaanlage, was mir an dem Tag äusserst gelegen kam. Sie kam gerade aus Melbourne zurück und ich hatte noch eine Schuld bei ihr zu begleichen. An der Sylvester Party bin ich damals in normaler Kleidung aufgekreuzt. Da hat sie mir kurzerhand eines ihrer Kleider geliehen. Ihr Lieblingskleid. Als das Feuerwerk bei der Balmain Ferry vorbei war, wurde es kühler. Deshalb ging ich in einen Pub, um meine anderen Klamotten anzuziehen. Ich weiss nicht warum, aber ich habe ihr Kleid nicht zurück in den Rucksack gepackt. Natürlich war das Kleid dann weg und ich fühlte mich sehr schäbig. Böses Leni. Als sie noch in Melbourne war gestand ich ihr mein Missgeschick. Wir gehen morgen ein neues Kleid für sie kaufen.

Zurück zum Abend. Ich brachte ihr das Geld für das verlorene Kleid und sie erzählte mir bei einem Glas Wein, was in Melbourne und bei ihr im Generellen gerade so läuft. Wir gingen dann gegen sechs Uhr noch nach Coogee Beach, um ein wenig zu schwimmen. Es waren nur wenige Leute da und das Wasser war angenehm kühl. Danach assen wir Fajitas und Burritos. Wieder zu Hause spielten Francesco und ich noch etwas Karten. Ich werde langsam besser.

Am nächsten Tag ging ich mit Francesco wieder an den Coogee Beach, wo wir auf Camilla trafen. Die Wellen waren super und niemand hatte einen Sonnenbrand. Ich bin da wirklich stolz darauf. Meine Sonnenbrände in diesem Land kann ich an einer Hand abzählen, wie oft ich an irgendeinem Strand war hingegen… Auf der Rückfahrt kamen wir am Victoria Park nahe der Uni vorbei. Francesco fragte mich, warum dort Stände aufgestellt waren. Ich sagte ihm, dass das für den „Australia Day“ sei. Allerdings organisiert von den Aboriginals und somit eine Anti-Australia Day Veranstaltung. Auf einmal dreht sich ein älterer Herr mit einem Schnauzer wie ein Walross um und meinte mit zahnlosem Gelalle, dass, falls Francesco dahin geht, er möglichst seine Wertsachen wegschliessen sollte. Ich drehte mich demonstrativ weg und ignorierte ihn. Francesco verstand zu wenig, um zu realisieren, welchen rassistischen Müll der Herr gerade ungefragt abgeladen hatte. Zur Erklärung, der Australia Day ist der Tag, an dem die erste britische Flotte in Australien in New South Wales landete. Für die Aboriginals ist es ein Gedenktag, da die Invasion und Unterdrückung ihres Volkes an diesem Tag begann. Sie nennen ihn „Invasion Day“ oder „Survival Day“.

Am Mittwochmorgen war ich mit David verabredet, um Bruschetta zu machen. Ich nutze unsere Kochdates einerseits, damit ich eine bessere Köchin werde und andererseits, damit wir weniger auswärts essen. Danach schauten wir uns eine Folge von Neil DeGrasse Tyson’s „Cosmos – A Spacetime Odyssee“.  Er hatte wieder Nachtschicht, weshalb ich früh wieder zu Hause war.

Am Donnerstag war nun also der „Australia Day“ und ihr kennt ja meine politische Einstellung. Ich habe diesen Tag nicht gefeiert. Ich ass mit Bahja und Ellyna zu Mittag und ging danach nach Hause. David kam später vorbei und wir spazierten durch die Gegend und schauten uns das Match Wawrinka gegen Federer zu Hause an.

An diesem Tag kam es zu Protesten in der Stadt, an denen ich nicht teilnehmen konnte (will ja nicht mein Visum verlieren). So ist nun seit Jahren das Land am Nationalfeiertag gespalten. Die einen feiern, die anderen protestieren oder schauen sich das Australian Open an.

Am Freitag gingen David und ich in die Blue Mountains um die „Three Sisters“ zu sehen. Das ist eine wunderschöne Felsformation mit drei grossen Felsen. Leider war es morgens sehr nebelig, weshalb ich die Felsen erst auf dem Rückweg sah. Wir starteten von einem erhöhten Plateau aus. Eine extrem steile Treppe führte direkte und ohne grosse Umschweife ins Tal. Der Abstieg ging schnell, war allerdings auch sehr anstrengend. Man bekommt etwas wabblige Beine. Einerseits liegt das an den vielen Treppen, aber auch an der schwindelerregenden Höhe in der sich dieses Konstrukt befindet. Ein aufregender Morgen also. Im Tal angekommen war es unglaublich feucht aber auch schön kühl. Es roch etwas nach unseren Wäldern. Aber es klang eindeutig nach australischen Tierchen. Es war ein schöner Wald und wir trafen viele andere Wanderer an.

Gegen zwei Uhr Nachmittag nahmen wir die steilste Bahn der Welt (bis zu 52° Steigung) und sparten uns den Aufstieg. Oben angekommen bemerkten wir unsere blinden Passagiere aus dem Wald. Ich hatte einen und David ganze drei Blutegel. Da wir beide mit dem Rauchen aufgehört haben, hatte keiner ein Feuerzeug dabei. So musste ich bei dem Erste Hilfe Zimmer etwas Salz holen. Grässliche Viecher. Wir waren danach so paranoid, dass wir vor dem Weitergehen und bevor wir ins Auto stiegen uns gegenseitig auf Blutegel untersucht haben.

Wir waren beide sehr hungrig konnten aber kein Essen auftreiben bis wir ein paar Stunden später wieder in Sydney waren. Nach ein paar Quesedillas und einem Stück Kuchen, planten wir dann unsere Reise in den Northern Territories weiter.

Am Samstag ging ich wieder an den Coogee Beach für meinen Wellenspass und ein Sonnenbad.  Abends ging ich mit Francesco nach Newtown in den Memorial Park. Das soll ungefähr so wie das Basler Rheinbord im Sommer sein. Da nicht viel los war gingen wir stattdessen in einen Pub in der Nähe.

Am Sonntag brachte ich am Nachmittag Luba zum Tierarzt weil sie diese komischen Zuckungen hatte. Die Tierärztin gab Entwarnung. Neurologisch sei Luba unauffällig, aber wir sollen sie weiter beobachten. Auf dem Rückweg traf ich auf zwei meiner ehemaligen Kollegen aus dem Café. Sie meinten beide, dass ich besser aussehe, wo ich nicht mehr arbeite. Ich bin um zwei Hauttöne dunkler. Wahrscheinlich liegt es daran. Wir tauschten Nummern und ich ging wieder Heim. Dort schaute ich mir die Serie „Rome“ an. Wenn ich da einmal anfange, kann ich fast nicht mehr aufhören. Zum Glück geht die Serie nicht über zwei Staffeln.

Am Montag ging ich zuerst zur Uni, wegen administrativer Sachen und anschliessend wieder an meinen heissgeliebten Coogee Beach. Es ist zu einfach. Ich steige in den 370er Bus, packe mein Buch aus und eine Stunde später berühren meine Füsse den Sand. Irgendwann war ich wieder daheim und spielte mit Francesco Karten.

Am Dienstag war ich recht unproduktiv. Mein Fuss tut seit der Wanderung wieder weh. David kam noch kurz nach der Arbeit vorbei, wegen der Reiseplanung für Tasmania. Danach war allerdings wieder Schicht im Schacht.

Heute ist es leider Kaum anders. Meine bestellte Hose ist angekommen und ich habe angefangen den Blog zu schreiben. Ein ziemlich entspanntes Leben. Sobald der Fuss wieder mitmacht, bin ich wieder unterwegs.
Bis dahin allerdings…

G’day und bis demnächst.

pirania light

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