Sydney 12 - Tütü aus Spinatblättern und "Wits out for the boys"
Wieder einmal sitze ich im Quarter Study
Space und frage mich, was ich alles gemacht und erlebt habe seit meinem letzten
Blog. Ich bin zwar nicht katholisch und ich habe auch nicht gesündigt, aber zum
Spass könnte ich ja meinen Blog mal so starten.
Vergib mir Vater, denn ich habe gesündigt.
Seit meiner letzten Beichte sind zehn Tage vergangen. Ich war am Mittwochmorgen
in der Network Society Vorlesung und habe wieder dies und das über Netzwerke,
die Entwicklung von Trends und unser Selbst im Netz gelernt. Danach ging ich
mit ein paar meiner Kommilitoninnen Mittagessen. Ellyna wurde frisch verlassen,
also widmete ich mich ihr nach dem Essen. Ich sagte ihr, dass ihr Ex ein
Feigling ist (der hat per SMS Schluss gemacht… kein Rückrad, der Knabe). Ich
habe sie etwas abgelenkt, in dem ich mithilfe von «Google Translater» komische
Sätze wie «Montags trage ich gerne ein Tütü aus Spinatblättern.» in ihre
Landessprache, Indonesisch, übersetzte (indon. «Senin Saya suka memakai tutu
dari daun bayam»). Sie fand es witzig und ich brachte ihr etwas Deutsch bei. Um
14 Uhr war dann meine Sitzung für die Gruppenarbeit betreffend meines
Lieblingsfachs (Achtung Sarkasmus) Social Marketing.
Abends probierte ich David zu helfen an
Konzertkarten für die japanische Punkband «HI-Standard» zu kriegen (das Konzert
findet ebenfalls in Japan statt). Vergebens. Man kann das Ticket nur kaufen,
wenn man eine Japanische Handynummer hat. Das gab mir aber wenigstens einen
Grund um mit Satoko aus meiner Zeit in Japan zu plaudern. Ihr geht es gut und
sie nimmt sich mehr Zeit für ihre Kunst.
Donnerstags ging ich zuerst meinen diversen
Arbeiten für die Uni nach. Nachmittags ging ich dann zum ersten Mal in den
Westfield Shopping Center Komplex im Stadtteil CBD. Es handelt sich dabei um
mehrere Gebäude, zum Teil Hochhäuser vollgepackt mit Geschäften und deren
Kunden. Ich war recht froh, dass sie nebst interaktiven Gebäudeplänen mit
Touchscreen auch einen ausgesprochen freundlichen Conciergeservice hatten, denn
man mit Fragen wie «Where can I find comfortable pillows?» («Wo finde ich
bequeme Kissen?») plagen kann. Wieso Kissen, fragt Ihr euch? David mag meine
Kissen nicht und hatte einen Gutschein von seinem Geschäft für das Westfield
Shopping Center erhalten. Ich fand wonach ich suchte und habe nun die teuersten
Kissen meines Lebens zu Hause. Sehr kuschlig und bequem. Die Läden waren
allerdings eher in einer höheren Preisklasse angesiedelt. Mein Port-Monnaie wollte
schon eine Panikattacke kriegen als ich mich nach Bikinis umgeschaut habe. Ich
konnte allerdings nichts unter $100 finden. Meine Geldbörse hat sich wieder
beruhigt und ich trat nach draussen mit meinem Kissen. Die Strassen waren voll
mit Menschen, die alle 100 Mal eleganter und besser gekleidet waren als ich. Sehr
modisches Völkchen im Stadtteil CBD. Ein paar Dutzend standen im Kreis um einen
talentierten Strassenmusiker, der seine Singer/Songwriter Gedudelei zum Besten
gab. Damit konnte ich nur wenig anfangen und ging wieder zur Uni.
Dort testete ich meine Kissen auf dem Rasen
vor dem Old Teacher’s Building. Ich lag in der Sonne und las etwas über Kaiser
Nero. Danach war ich in der Social Marketing Vorlesung. Die Weltverbesserer
Dozenten sitzen immer auf ihrem hohen Moral Ross. Vielleicht ist die Vorlesung
deshalb so ermüdend. Abends kam dann ein Wikinger von seinem Raubzug durch
Australien zurück. Er war ganz blass und krank. Der arme Jacob reiste per Auto mit
Fieber, Übelkeit und Husten von Darwin bis nach Adelaide (3'026 km laut Google
Maps), wobei sie manchmal in der Wüste campten. Ich half ihm mit seinen Sachen
und fragte ihn aus. Er erzählte mir von den faszinierenden und schönen
Landschaften der Wüste, aber auch von den Schicksalen der Aboriginals, die von
der australischen Regierung ausgebeutet und diskriminiert werden. Er erzählte
mir, dass man in manchen Dörfern als Weisser besser nur den Wagen volltankt und
die wichtigsten Einkäufe tätigt. Man sei ganz und gar nicht willkommen. Das ist
traurig und für uns Schweizer eher unverständlich. Ich sprach mit David
darüber. Ich fragte ihn, ob wir in Sydney in einer Glaskugel leben. Er bejahte.
Wir sehen hier äusserst viele Kulturen aufeinandertreffen und dennoch ist
Rassismus oder Diskriminierung im Generellen eher ein Problem der Bogans (australische
Hinterwäldler). Aber gut das ist ja auch in der Schweiz der Fall. Die rassistischsten
Wähler kommen ja selten aus einer grösseren Stadt sondern aus kleinen Dörfern. Das
ist eine Stereotypisierung. Bitte nicht persönlich nehmen liebe Ländler. Ich
weiss ihr seid auch Menschen mit einer differenzierten Meinung, die nicht
rassistisch oder diskriminierend sein muss. Igor und Camille kamen dann auch
noch kurz dazu und plauderten etwas mit uns. Sie reisten ein paar Stunden
später nach London an die Latin Dance Weltmeisterschaft, um dort ihr Können
unter Beweis zu stellen.
Am Freitagmorgen eilte ich ins Broadway
Shopping Center, um mir schnell einen neuen Bikini, ein langes Strandkleid,
einen Hut und Sandalen zu kaufen. Mein Bikini aus der Schweiz hat nämlich nach
fünf Jahren beschlossen, ausgerechnet dann seinen Dienst zu quittieren, als ich
mit Kristina und ihrem Freund Rob zum Bondi Beach gehen wollte. In einer
Rekordzeit von 15 Minuten, habe ich alle Kleidungsstücke anprobiert, bezahlt
und mich umgezogen. Danach ging es an den Strand. Ich hatte meine Readings für
Mobile Media and Games dabei. Wir brutzelten in der Sonne und spielten etwas
Cards against Humanity. Irgendwann packte mich meine Liebe zum Wasser und ich
ging ins Meer. Die Wellen waren unglaublich stark. Ich schaute zuerst den
Kindern zu, um zu sehen wie sie auf die Wellen reagieren. Wenn eine Welle kam
sind sie entweder gesprungen oder untergetaucht. Ich versuchte das dann selbst.
Bei der ersten Welle war ich zu spät und wurde zum Dank zurück an den Strand
gespült (mit ordentlich sandgefülltem Bikini). Irgendwann hatte ich den Dreh
dann raus… dachte ich. Nach 15 Minuten landete ich nach einer Welle zu früh auf
dem Boden und die Stärke der Welle drückte mein Knie durch. Autsch. Ich
humpelte zurück zu meinem Strandtuch und liess mich wie ein Sack Kartoffeln
fallen. Ich war erschöpft. Um halb drei machte ich mich wieder auf den Weg zur
Uni. Ich schaffte es gerade noch pünktlich zur Mobile Media and Games
Vorlesung.
Nach der Vorlesung traf ich mich mit Ellyna.
Wir gingen zusammen zum Syndey Food Festival im Hyde Park nahe beim
Hauptbahnhof. Der Park war voller Menschen und hatte wunderschöne
Lichtinstallationen. Wir schauten uns zuerst alles an und ich entschied mich
für Singapore Noodles mit Crevetten. Ich kann es nur wiederholen, ich liebe das
asiatische Essen hier. Es ist preiswert und von guter Qualität. Wir sprachen
über ihre kürzliche Trennung. Sie erzählte mir, dass sie aus diesen westlichen
Männern nicht schlau werde. Ich empfahl ihr, sich Zeit zu lassen, um sich an
die Mentalität zu gewöhnen und sich nicht fertig zu machen, weil es dieses Mal
nicht geklappt hat. Ich wäre auch sehr verwirrt, wenn ich bei ihr in Indonesien
mich mit Männern verabredete. Wir verabschiedeten uns und ich traf mich noch
auf einen Schlummertrunk mit Monica in der Bar BED in Glebe. Ich lernte sie vor
ein paar Wochen beim Food Crawl kennen. Sie ist eine sehr kleine Frau mit einer
Vorliebe für grosse Hüte und praktische Beziehungen. Sie sei noch nie richtig
verliebt gewesen und verstehe deshalb nicht allzu viel von der Nützlichkeit
einer Beziehung. Sie hätte dafür keine Zeit. Ich war um ein Uhr wieder zu Hause
und leckte meine Wunden. Meine Füsse hatten keine Freude an der vielen
Lauferei. Drei Blasen und aufgerippste Zehen. Aua.
Am Samstag hatte ich einen faulen Tag. Ich
ging nur kurz mit Luba Gassi und las etwas weiter in meinem Buch (Don Quixote).
Gegen frühen Abend kam David zu mir. Wir schauten uns den Film Amadeus an und
haben uns indisches Essen bestellt. Er hatte den Film noch nie gesehen und war
begeistert.
Am Sonntag gingen wir gemeinsam in der
Abercrombie Street nahe der Uni brunchen. Danach ging ich zur Uni, um an meinem
Assignments zu arbeiten. «I’m
sitting here in a boring room, it’s just another rainy Sunday afternoon.” Es hat zwar nicht geregnet, aber das Liedlein von Soundgarden
schwirrte in meinem Kopf herum als ich den restlichen Sonntag wieder einmal im
Quarter Study Space verbrachte. Um Mitternacht war ich dann endlich fertig und
konnte noch einen Bus nach Hause erwischen. Jacob war noch immer krank,
schuftete aber für seine Assignments zum Teil bis sieben Uhr morgens. Ich sagte
ihm, dass wir etwas zusammen unternehmen werden. Ein Besuch im Badehaus. Er war
Feuer und Flamme für die Idee. Ich buchte eine Stunde am Montagnachmittag.
Jacob und ich trafen uns im Quarter und
gingen zusammen nach Glebe, wo das Etablissement war. Das Badehaus war klein aber
komfortabel. Es hatte einen Whirlpool mit sehr warmen und einen mit kühlem
Wasser, ein Dampfbad und eine Sauna. Danach waren wir beide hungrig und
schläfrig. Wir assen eine Kleinigkeit und verabschiedeten uns.
Ich ging zurück zum Quarter und war zum
ersten Mal in meinem Leben sehr froh darüber, dass mein Laptop ein eineinhalb
stündiges Update machte. Ich holte mir einen Sitzsack und hielt ein Schläfchen
bis mein Laptop das Update abgeschlossen hatte. Ich war um sieben wieder zu
Hause, wo mich Luba bereits erwartete und Streicheleinheiten verlangte.
Natürlich bekam sie diese auch von mir. Wer Angst vor Pitbulls hat, soll mal
sehen, wie gut Luba ihren süssen Hundeblick hinkriegt. Ja ja. Eine ganz
gefährliche Kuschelbestie.
Dienstags hatte ich nach meiner Academic
English for Postgraduates Vorlesung meinen ersten Zahnarzttermin seit sieben
Jahren (ich weiss, ich weiss… böses Leni). Ich ging vorher noch in die
International Lounge, um mich meinen Readings zu widmen. Es ist immer voller
Studenten und etwas lärmig, aber dort steht auch ein Klavier. Meistens spielt
einer der Studenten etwas. Ich setzte mich ans Fenster und jemand spielte ein
paar Stücke von Chopin. Es war äusserst angenehm und schön.
Das kann ich von meinem anschliessenden Zahnarzttermin
nicht behaupten. Der Zahnarzt hat auch mit mir geschimpft und während des
Reinigens mindestens zehn Mal gesagt, ich solle mehr Zahnseide benutzen.
Ausserdem habe ich offensichtlich keine Ahnung, wie man Zähne putzt. Ich solle
mir eine elektrische Zahnbürste holen. Ich habe drei Löcher und knirsche
offensichtlich mit meinen Zähnen im Schlaf. Ich darf nächsten Montag zum Bohren
antraben. Danach war ich so eingeschüchtert, dass ich geradewegs zum «Chemist»
(Drogerie in Australien) auf dem Campus ging und mir Zahnseide und eine
elektrische Zahnbürste kaufte. Bin jetzt ganz brav und benutze täglich
Zahnseide. Meine Zähne sehen super aus.
Ich war dann etwas spät dran für das
Treffen des Mittelalterklubs. Es war Generalversammlung und Wahlen standen an.
Ich habe mich für kein Amt aufstellen lassen. Allerdings habe ich mir etwas
Arbeit eingebrockt als ich vorschlug, dass die Mitglieder, die nicht kämpfen
oder werkeln, ambient roleplay machen könnten. Das ist eine Form von
Rollenspiel mit einem vorgegebenen Abenteuer und einem Spielleiter aber ohne
Kampf. Das fanden alle recht gut. Ich muss jetzt allerdings für die kommenden
Mittelalterfeste mich mit den Organisatoren in Verbindung setzen und passende
Abenteuer schreiben. Nach der Versammlung gingen wir wieder in den Forrest
Lodge Pub.
Am Mittwoch war ich morgens in der Network
Society Vorlesung. Mittags wäre ich eigentlich mit Conny zum Essen verabredet
gewesen, aber die Gute liess mich eine halbe Stunde warten. Ich schrieb ihr,
dass wir das verschieben müssen, holte etwas zu Essen und ging in den Quarter
um an einer Gruppenarbeit für das Fach Mobile Media and Games weiter zu
schreiben. Es ist ein Konzept für eine Game App. Es wird ein Escape Room mit
Augmented Reality (wir benutzen den GPS Standort und eventuell die Handykamera).
Am Abend war dann die Gruppensitzung bei Seraya zu Hause in Croyden (Sydney).
Sie machte uns Burritos und ich musste ihr versprechen, sie nächste Woche
einzuladen, wenn ich Glühwein und Schwarzwäldertorte mache. Um elf Uhr waren
wir dann fertig und sie fuhr mich und Alexandra nach Hause.
Am Donnerstag hat mich wieder der
Putzfimmel überfallen. Das Haus ist jetzt wieder schön sauber. Danach ging ich
zu David nach Hause. Er hatte Nachtschicht an dem Tag. Er kochte Mittagessen
und wir spazierten etwas durch die Suburbs Alexandria und Redfern. Wir sahen
uns auch die alten Fabrikhallen für Züge neben dem Redferner Bahnhof. Es waren
sehr grosse Stahlöfen und Metallschleifmaschinen dabei. Wieder bei ihm zeigte
er mir einen Zusammenschnitt der Serie Family Guy mit zwei Charakteren, die
zwar akzentfrei Englisch reden, aber keine Muttersprachler sind und deshalb so
komische Dinge sagen, wie «This was just like a game of ‘Hide and find’» (anstatt
Hide and Seek – Versteggis für d Schwizer). Er fand es zum Schiessen und
meinte, ich würde auch oft solche komischen Sätze von mir geben. Ich fand das
anfangs gar nicht witzig, sondern eher unangenehm. Ich weiss ja selber, dass
ich mich manchmal komisch ausdrücke. Das ist dann etwas frustrierend für mich.
Nach einer Weile konnte ich aber auch drüber lachen. «Hide and find»… das habe
ich sicher auch schon gesagt. Witzig.
Am Abend war ich in der Social Marketing
Vorlesung. Später traf ich Camilla und Jacob vor der Manning Bar. Wir gingen
zusammen zum Theatersport Improv Finale. Es traten zweier und dreier Gruppen
gegeneinander an. Manche hatten
witzige Namen wie «Wits out for the boys» oder «neatly folded towel». Mal mussten sie auf Kommando unerwartete Wendungen einbauen oder sie
bekamen einen Beruf vorgegeben wie «professioneller Instagrammer» oder sie
mussten sich entscheiden, ob sie jemanden küssen oder töten sollen ohne sich
vorher absprechen zu können. Sie waren recht gut und sehr lustig. Um halb elf
nahmen wir drei dann den Bus nach Hause. Dort angekommen, haben ich und Jacob
etwas weiter an unseren Assignments gearbeitet. Nach einer Weile wollte ich
dann nicht mehr und habe stattdessen Michel in der Schweiz angerufen. Hast mir
gefehlt mein Guter.
Heute war ich etwas lahm am Morgen. Bisher
ist noch nichts passiert. Ich sitze im Quarter und schreibe diese Zeilen. Aber
der Tag ist ja noch nicht zu Ende. Dieser Text allerdings schon (haha,
Schenkelklopfer).
Bis demnächst.
pirania light
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