Sydney 8 - schlüpfriges Gebäck und die wiedergefundene Menschlichkeit
Ich habe beschlossen, nicht mehr alles so haargenau (und auch etwas öde) zu beschreiben. Mal sehen was draus wird.
Mein Studiengang ist in der Fakultät für Soziologie und Kunst angesiedelt. Das war schon witzig wie ich hier ankam und mir vorstellte ich bekäme eine praktische Anleitung für den Umgang mit online Medien für meinen Beruf. Es kam wie immer: erstes ganz anderes und zweitens als ich dachte. Das Schöne daran ist, dass ich damit glücklicher denn je bin. In der Schweiz wurden wir (meine Kommilitonen und ich) darauf getrimmt, uns für das Praktische und Berufsrelevante zu interessieren und um Himmelswillen keine Zeit mit Philosophie, Soziologie und dergleichen zu verschwenden. Wo kämen wir da denn auch hin? Absolventen mit einer nicht kapitalistischen Einstellung, einem hinderlichem Idealismus und dann auch noch den Drang nachhaltig die Welt zu ändern... grässlich. Ausserdem findet man damit auch keine Arbeit.
So kam ich mit der Einstellung nach Australien meine Ausbildung müsse immer praxisnah und für einen massgeschneiderten Beruf sein. Versteht mich nicht falsch. Ich lerne vor allem wie Netzwerke und Beziehungen funktionieren, die Menschen mit mobilen Medien sich verhalten und welche Charakteristika die Spielwelt und Apps haben müssen, um weltweiten Anklang zu finden. Die Forschung dazu stammt allerdings nicht von irgendwelchen eiskalten zahlenbasierten Wirtschaftskoriphäen oder Managern sondern von Soziologen und Psychologen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Art der Betrachtung der Phänomene aus.
Je länger ich hier bin, desto mehr Veränderungen geschehen in meinem Denken und Handeln. Ich werde gelassener, man könnte fast schon sagen fatalistischer, aber nur ein bisschen. Mein Verständnis von Effizienz und Notwendigkeit geht weg vom Wirtschaftlichen (Investition und Umsatz) und hin zur schieren Neugier. Wissen aneignen um des Lernens Willen. Meiner Meinung nach ist dieser "Luxus" eine sehr viel gesündere Einstellung und ein äusserst fruchtbarer Boden für die Forschung und langfristige Planungen. Der grösste "Mehrwert" ist jedoch, dass ich mich wieder menschlicher fühle. Das klingt kitschig. Besser kann ich es allerdings nicht beschreiben.
So das wars jetzt erst mal mit meiner Laienphilosophiererei.
Zu den Geschehnissen der vergangenen Tagen:
Am Freitag ging ich zum Factory Floor in Marrickville um mir ein paar Bands anzusehen. Es war fantastisch. Die erste Band war eine Mischung aus Tool, Rage Against the Machines und Alice in Chains. Die zweite Band bestand aus einer Whitestripes änhnlichen Konstellation (ein Gitarrist/Sänger und ein Schlagzeuger). Der Sound war in Richtung Wolfmother, Jimi Hendrix und auch ein wenig Led Zeppelin.
Ich wachte um drei Uhr morgens aus einem Traum auf, in welchem Jackie Chan mein Vater war und mir sagte, ich müsse Fische fangen mit blossen Händen, natürlich als Training. Der Grund waren Jacob und sein Freund Simon, welche noch in Plauderstimmung waren. Ich gesellte mich dazu und brachte die Herren um vier Uhr morgens ins Bett resp. aufs Sofa.
Am nächsten Tag hatte ich wieder Mühe den lieben Knaben aus dem Bett zu holen. Nach einem halben Liter Kaffee und einer Dusche war er wieder der Alte. Wir gingen zur Uni (ja an einem Samstag). Es war Tag der offenen Türe. Wir gaben uns als Neulinge aus und versuchten so viele, Gratisbonbons, -Kaugummis, -Kopfhörer, -Memorysticks, etc. abzustauben wie möglich. Ich fand vor dem Abercrombie Building ein paar Ballone mit Helium gefüllt und gab den Beatles Hit "yellow submarine" vor einer Gruppe von Wirtschaftsstudenten zum besten. Sie fanden's witzig. Danach widmeten wir uns unseren jeweiligen Arbeiten fürs Studium...
Abend hatten wir endlich unser offizielles Housemates dinner. Igor kochte eine Bolognese und wir schauten ihm dabei zu. Wir spielten Cards against Humanity und ich brachte Jacob einen, wie meine Mutter es nannte, "schlüpfrigen" Trinkspruch bei. Also Muddi, er mochten den Spruch ausgesprochen.
Ich war am Sonntag im Toronga Zoo. Ich und meine Begleitung trafen uns um 10 Uhr morgens (welch unchristliche Zeit) beim Circular Quay um eine Fähre zu erwischen. Die ersten zwei gingen uns dann prompt durch die Lappen. Als wir es endlich auf die 11 Uhr Fähre geschafft haben, schien die Sonne. Die Wellen waren klein und erinnerten mich ein wenig an eine Fahrt auf einer Bahn an der Basler Herbstmesse. Es war wunderbar. Ich sah grosse Spinnen, wohlerzogene Seehunde, Affen, Giraffen, rote Pandas, tasmanische Teufel, Varane (Dragons hier), Kangurus, Koalas und noch vieles mehr. Ich hatte immer einen flotten Spruch auf den Lippen, um das Geschehene zu kommentieren: "Hier sehen wir den Bongo, ein sehr musikalisches Tier, welches eine Stimmgabel auf dem Kopf trägt."

Gestern begann die "radical sex & consent" Woche an der Uni mit Vorträgen über diverse aktuelle Themen. Da ich mit einem meiner Essays recht beschäftigt bin, konnte ich zwar keinen Vortrag besuchen, liess es mir aber nicht nehmen, einen Vagina Keks zu dekorieren.
Zu Hause quiekte ich ganz vergnügt als das Paket der lieben Joy mit meinem Mittelalterkram, Schokolade und Aromat ankam. Luba war ganz verwirrt und protestierte ob diesem Lärm mit lautem Gebell. Hier nochmal ein grosses Dankeschön an meinen Paradiesvogel im fernen Basel.
Abends gönnte ich mir etwas Spass und ging mit meiner Begleitung zu einer Comedy Vorstellung. Danach gab es Spaghetti mit Fleischbällchen und die Gewissheit, dass ich nie einen australischen Dialekt verwenden sollte. Das halten die Australier hier wie wir Schweizer (-deutschsprachig) mit den Deutschen. Es graust uns teilweise gar sehr, wenn unsere eigensinnige Sprache nicht auf die Nuance genau ausgesprochen wird. Das zumindest hat mir meine Begleitung erklärt auf meine Frage, ob ich das lernen könne... na dann halt nicht.
Ich bin hier sehr glücklich und hab jede Menge Spass. Das gilt auch für den Haufen Arbeit, denn ich immer habe. Diese Woche hatte ich das Vergnügen die unsägliche Actor Network Theory des peniblen Latour zu lesen. Gehirnknoten und Haareraufen inklusive. Wenigsten wird die Kapazität im grauen Oberstübchen mal richtig ausgeschöpft.
Bis demnächst.
pirania light.
P.S.
Als ich diese Zeilen schrieb hörte ich Elton John mit Crocodile Rock, Rocket Man, Tiny Dancer, Benny and the Jets, Billy Joel mit Piano Man, Jimi Hendrix mit Voodoo Child und Purple Haze
Mein Studiengang ist in der Fakultät für Soziologie und Kunst angesiedelt. Das war schon witzig wie ich hier ankam und mir vorstellte ich bekäme eine praktische Anleitung für den Umgang mit online Medien für meinen Beruf. Es kam wie immer: erstes ganz anderes und zweitens als ich dachte. Das Schöne daran ist, dass ich damit glücklicher denn je bin. In der Schweiz wurden wir (meine Kommilitonen und ich) darauf getrimmt, uns für das Praktische und Berufsrelevante zu interessieren und um Himmelswillen keine Zeit mit Philosophie, Soziologie und dergleichen zu verschwenden. Wo kämen wir da denn auch hin? Absolventen mit einer nicht kapitalistischen Einstellung, einem hinderlichem Idealismus und dann auch noch den Drang nachhaltig die Welt zu ändern... grässlich. Ausserdem findet man damit auch keine Arbeit.
So kam ich mit der Einstellung nach Australien meine Ausbildung müsse immer praxisnah und für einen massgeschneiderten Beruf sein. Versteht mich nicht falsch. Ich lerne vor allem wie Netzwerke und Beziehungen funktionieren, die Menschen mit mobilen Medien sich verhalten und welche Charakteristika die Spielwelt und Apps haben müssen, um weltweiten Anklang zu finden. Die Forschung dazu stammt allerdings nicht von irgendwelchen eiskalten zahlenbasierten Wirtschaftskoriphäen oder Managern sondern von Soziologen und Psychologen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Art der Betrachtung der Phänomene aus.
Je länger ich hier bin, desto mehr Veränderungen geschehen in meinem Denken und Handeln. Ich werde gelassener, man könnte fast schon sagen fatalistischer, aber nur ein bisschen. Mein Verständnis von Effizienz und Notwendigkeit geht weg vom Wirtschaftlichen (Investition und Umsatz) und hin zur schieren Neugier. Wissen aneignen um des Lernens Willen. Meiner Meinung nach ist dieser "Luxus" eine sehr viel gesündere Einstellung und ein äusserst fruchtbarer Boden für die Forschung und langfristige Planungen. Der grösste "Mehrwert" ist jedoch, dass ich mich wieder menschlicher fühle. Das klingt kitschig. Besser kann ich es allerdings nicht beschreiben.
So das wars jetzt erst mal mit meiner Laienphilosophiererei.
Zu den Geschehnissen der vergangenen Tagen:
Am Freitag ging ich zum Factory Floor in Marrickville um mir ein paar Bands anzusehen. Es war fantastisch. Die erste Band war eine Mischung aus Tool, Rage Against the Machines und Alice in Chains. Die zweite Band bestand aus einer Whitestripes änhnlichen Konstellation (ein Gitarrist/Sänger und ein Schlagzeuger). Der Sound war in Richtung Wolfmother, Jimi Hendrix und auch ein wenig Led Zeppelin.
Ich wachte um drei Uhr morgens aus einem Traum auf, in welchem Jackie Chan mein Vater war und mir sagte, ich müsse Fische fangen mit blossen Händen, natürlich als Training. Der Grund waren Jacob und sein Freund Simon, welche noch in Plauderstimmung waren. Ich gesellte mich dazu und brachte die Herren um vier Uhr morgens ins Bett resp. aufs Sofa.
Am nächsten Tag hatte ich wieder Mühe den lieben Knaben aus dem Bett zu holen. Nach einem halben Liter Kaffee und einer Dusche war er wieder der Alte. Wir gingen zur Uni (ja an einem Samstag). Es war Tag der offenen Türe. Wir gaben uns als Neulinge aus und versuchten so viele, Gratisbonbons, -Kaugummis, -Kopfhörer, -Memorysticks, etc. abzustauben wie möglich. Ich fand vor dem Abercrombie Building ein paar Ballone mit Helium gefüllt und gab den Beatles Hit "yellow submarine" vor einer Gruppe von Wirtschaftsstudenten zum besten. Sie fanden's witzig. Danach widmeten wir uns unseren jeweiligen Arbeiten fürs Studium...
Abend hatten wir endlich unser offizielles Housemates dinner. Igor kochte eine Bolognese und wir schauten ihm dabei zu. Wir spielten Cards against Humanity und ich brachte Jacob einen, wie meine Mutter es nannte, "schlüpfrigen" Trinkspruch bei. Also Muddi, er mochten den Spruch ausgesprochen.
Ich war am Sonntag im Toronga Zoo. Ich und meine Begleitung trafen uns um 10 Uhr morgens (welch unchristliche Zeit) beim Circular Quay um eine Fähre zu erwischen. Die ersten zwei gingen uns dann prompt durch die Lappen. Als wir es endlich auf die 11 Uhr Fähre geschafft haben, schien die Sonne. Die Wellen waren klein und erinnerten mich ein wenig an eine Fahrt auf einer Bahn an der Basler Herbstmesse. Es war wunderbar. Ich sah grosse Spinnen, wohlerzogene Seehunde, Affen, Giraffen, rote Pandas, tasmanische Teufel, Varane (Dragons hier), Kangurus, Koalas und noch vieles mehr. Ich hatte immer einen flotten Spruch auf den Lippen, um das Geschehene zu kommentieren: "Hier sehen wir den Bongo, ein sehr musikalisches Tier, welches eine Stimmgabel auf dem Kopf trägt."

Gestern begann die "radical sex & consent" Woche an der Uni mit Vorträgen über diverse aktuelle Themen. Da ich mit einem meiner Essays recht beschäftigt bin, konnte ich zwar keinen Vortrag besuchen, liess es mir aber nicht nehmen, einen Vagina Keks zu dekorieren.
Zu Hause quiekte ich ganz vergnügt als das Paket der lieben Joy mit meinem Mittelalterkram, Schokolade und Aromat ankam. Luba war ganz verwirrt und protestierte ob diesem Lärm mit lautem Gebell. Hier nochmal ein grosses Dankeschön an meinen Paradiesvogel im fernen Basel.
Abends gönnte ich mir etwas Spass und ging mit meiner Begleitung zu einer Comedy Vorstellung. Danach gab es Spaghetti mit Fleischbällchen und die Gewissheit, dass ich nie einen australischen Dialekt verwenden sollte. Das halten die Australier hier wie wir Schweizer (-deutschsprachig) mit den Deutschen. Es graust uns teilweise gar sehr, wenn unsere eigensinnige Sprache nicht auf die Nuance genau ausgesprochen wird. Das zumindest hat mir meine Begleitung erklärt auf meine Frage, ob ich das lernen könne... na dann halt nicht.
Ich bin hier sehr glücklich und hab jede Menge Spass. Das gilt auch für den Haufen Arbeit, denn ich immer habe. Diese Woche hatte ich das Vergnügen die unsägliche Actor Network Theory des peniblen Latour zu lesen. Gehirnknoten und Haareraufen inklusive. Wenigsten wird die Kapazität im grauen Oberstübchen mal richtig ausgeschöpft.
Bis demnächst.
pirania light.
P.S.
Als ich diese Zeilen schrieb hörte ich Elton John mit Crocodile Rock, Rocket Man, Tiny Dancer, Benny and the Jets, Billy Joel mit Piano Man, Jimi Hendrix mit Voodoo Child und Purple Haze
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